Die Arbeit mit Rentieren erfordert Geduld und Sensibilität. All das bringt der Norheimer Martin Braun mit. Doch der Weg zum „Job fürs Leben“ war für den 32-Jährigen nicht einfach.
Von Norbert Krupp
Sonja und Stefan Persch schätzen an Martin Braun (rechts), dass er viel Gefühl für die Rentiere mitbringt.
(Foto: Norbert Krupp)
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NIEDERHAUSEN/NORHEIM - Der 32-jährige Norheimer Martin Braun ist glücklich: Nach einem Berufsleben mit diversen negativen Erfahrungen sowie Phasen langer Arbeitslosigkeit hat er endlich seinen „Traumjob“ gefunden: Seit 10. August 2020 arbeitet er trotz seines Handicaps zuverlässig auf der Rentieralm, die Sonja und Stefan Persch seit 2012 auf dem Niederhäuser Rosenberg aufgebaut haben. Er liebt den Umgang mit den charaktervollen Tieren, die er alle mit Namen kennt und die er füttert, mit Wasser versorgt und betreut. Viele der sensiblen Rentiere haben schon ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufgebaut: „Wenn ich Futter in der Hand habe, kommen eigentlich alle“, sagt Braun. Auch die Pflege des gut 13 000 Quadratmeter großen Wiesengeländes zählt zu seinen Aufgaben.
Perschs hatten per Anzeige eine zweite Hilfskraft gesucht, die sich um die 14 Rentiere kümmern sollte. „Wir bekamen mehr als 50 Bewerbungen“, erinnert sich Sonja Persch, die deshalb Martin Braun um eine Woche Geduld bitten musste. Am Tag, nachdem die Wartezeit abgelaufen war, stand dann der junge Norheimer vor dem Tor der Rentieralm. „Er hat uns sehr damit beeindruckt, dass er praktisch die ganze Homepage der Alm auswendig gelernt hatte“, erinnert sich Sonja Persch. Mit Rentierwanderungen und buchbaren Auftritten ihrer Rentiere finanzieren Perschs den Betrieb, der sich 2020 auf die strengen Corona-Auflagen einstellen und erheblich kleinere Gruppen annehmen musste. Bei Besuchern auf der Alm hält sich Martin Braun aufmerksam im Hintergrund und unterstützt einen reibungslosen Ablauf.
Aus Probearbeit wird ein unbefristeter Arbeitsvertrag
Beim Erstbesuch signalisierte der Bewerber Bereitschaft, auch mal einen Tag zur Probe zu arbeiten. Dabei zeigte er sich derart motiviert, dass die Eheleute auch ohne Einsicht in seine Zeugnisse mit dem Bad Kreuznacher Jobcenter eine dreimonatige Probebeschäftigung des gelernten Gärtners vereinbarten. Als Bundesfreiwilliger hatte er ein Jahr lang den Hausmeister der Ebernburg unterstützt, aber wegen gesundheitlicher Einschränkungen war Braun schon mehrfach und über längere Zeit arbeitslos. Die Lohnkosten der Probebeschäftigung hat das Jobcenter getragen.
Die Eheleute Persch waren mit ihrem neuen Mitarbeiter von Anfang an sehr zufrieden: „Er ist schon zu einem Teil der Rentieralm geworden“, stellt Sonja Persch rückblickend fest. „Im Alltag beweist er auch, dass er viel Gefühl für die Tiere mitbringt“, bestätigt Stefan Persch. Brauns Engagement haben die Perschs bereits belohnt, indem sie ihm ab November 2020 einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten haben, um ihm eine dauerhafte Perspektive zu bieten. Mit einem Eingliederungszuschuss förderte das Jobcenter diese sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die Alm-Betreiber sind voll des Lobes für die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Jobcenters: „Wir haben alle Unterstützung erfahren, die wir brauchen konnten.“ Martin Braun arbeitet derweil gerne an der frischen Luft: „Wenn das nicht so wäre, hätte ich mich hier auch nicht beworben“, sagt er. Auf der Rentieralm hat er sich inzwischen als sehr zuverlässig erwiesen und kam erst einmal zu spät zur Arbeit – wegen Glatteis. Das Team der Rentieralm ist für ihn auch so etwas wie eine große Familie: „Wir haben hier oben auch Martins Geburtstagsfeier ausgerichtet und natürlich auch zusammen mit unseren Mitarbeitern und Helfern Weihnachten gefeiert“, erinnert sich Rentiermutter Sonja Persch, die ihr Team auch hin und wieder zum Mittagessen einlädt. Kein Wunder, dass Martin Braun nun hofft, den „Job fürs Leben“ gefunden zu haben: „Bis zur Rente kann ich hier auf jeden Fall bleiben, vielleicht sogar noch länger“, verrät er.
Tanja Müller, die für Martin Braun zuständige Arbeitsvermittlerin des Jobcenters, freut sich, dass sie bei einem Besuch auf der Rentieralm den Eindruck gewonnen hat, dass dieser bei Familie Persch in guten Händen ist, die ihm viel Wertschätzung entgegenbringe: „Herr Braun scheint dort sein Glück gefunden zu haben, auch im Umgang mit den Rentieren.“ Müller hofft, dass sich noch mehr Arbeitgeber finden werden, die Menschen mit Handicaps oder Beeinträchtigungen eine Chance geben, eine Aufgabe fürs Leben zu finden.
Martin Braun steht inzwischen finanziell wieder auf eigenen Füßen und scheint auf eine weitere Betreuung durch das Jobcenter nicht mehr angewiesen zu sein. Er ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass auch Langzeitarbeitslose einen wertvollen Beitrag zur Volkswirtschaft leisten können, wenn sie an der richtigen Stelle eingesetzt werden.