Die Kappensitzung ist der Auftakt zur 100-Jahr-Feier des Turn- und Sportvereins in Gutenberg. Die Halle war bis auf den letzten Platz besetzt.
Von Wolfgang Bartels
Die androgyn angehauchte Garde begeisterte die Narren. Wenigstens die Beine der Tänzer waren bestens rasiert.
(Foto: Bartels)
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GUTENBERG - Durchweg sehr sportlich ging es zu auf der Kappensitzung in der Gutenburghalle. Kein Wunder, Veranstalter des närrischen Treibens im Burgdörfchen ist traditionell der Turn- und Sportverein, der in diesem Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert und dazu den Auftakt gleich mit einer fulminanten Sitzung gab. Das Motto der närrischen Sportler lautete: „Der TuS werd hunnert, das ist der Hit, mir starte die Party, als Sportler macht mit.“ Das ließen sich die Gutenberger nicht zweimal sagen, die Halle unter der Gutenburg war voll besetzt bis auf den letzten Platz.
Nur einer fehlte – und das kam bei den Narren gar nicht gut an: Ortsbürgermeister Jürgen Frank hatte sich in den Urlaub verabschiedet, „weil die Narren regieren“, wie Protokollerin Christa Dapper vermutet: „Das ist die Chance für uns Narren, die Regie zu übernehmen.“ Trotzdem, die Protokollerin im Schiedsrichter-Outfit blies kurz in ihre Pfeife und griff in ihren Zettelkasten: „Für die Flucht vom Bürgermeister gibt es direkt die Rote Karte.“ Damit geriet dieser allerdings in eine Gesellschaft, die ihm gewiss nicht behagen wird. Denn die nächsten Aspiranten für Rote Karten waren Despoten wie Trump und Erdogan. Um Letzteren sei es irgendwie still geworden, „aber wer weiß, welche Bosheit er wieder ausbrütet“. Für die Fußballnationalmannschaft gab es nur Gelb: „Fast wären wir Weltmeister geworden. Wir waren so nah dran. Dann hat Özil die Moral der Mannschaft untergraben. Und dafür kassieren die auch noch Geld.“ Der dringend notwendige Ausbau der Kita war der Protokollerin ein besonderes Anliegen: „Wer die Zeche bezahlt, ist noch offen. Ohne Unterstützung vom Land sehe ich für unsere Finanzen rot.“ Eine Gutenbergerin bekam von der Schiedsrichterin jedoch weder eine Gelbe, noch eine Rote Karte: Karin Pfeiffer, die sich 25 Jahre lang für ihren Verein „Freunde helfen Freunde – den Kindern von Tschernobyl“ engagiert hat: „Dafür gibt es ein goldenes Herz.“
Dann verkündete Sitzungspräsidentin Manuela Weidmann: „Jetzt kommt ein Mann, der nimmt Euch ran.“ Nämlich Masseur Christian Schriewer: „Seid ihr noch fit, zwickt euch der Bauch noch nit? Dann holt Euch noch’n Brot mit Schinken. Die anderen kommen zu mir. Ich bin die letzte Rettung: der Masseur.“ Der allerdings zweifelt manchmal sehr an seinem Beruf: „Wenn ich mit Gottes Segen Falten vor mir her bewege, dann denke ich manchmal: wäre ich doch nur Bäcker geworden.“ Doch er hält was er verspricht: „Die Kunden werden richtig locker, wenn ich werd zum Physiorocker.“ Doch dann muss der begabte Masseur sein Publikum doch ein wenig enttäuschen: „Ich hab versucht, statt Speck euer Zwerchfell zu massieren. Kommt doch gerne mal vorbei. Nur Termine habe ich leider keine frei.“
MIT DABEI
Nadine und Thomas Benzin brachten Klatsch und Tratsch aus dem Dorf auf die große Bühne. Das „Gutenberger Chörchen“ unter Leitung von Friederike Louis sangen heimatliches Liedgut. Jochen Merz glänzte als Wallhäuser, der in Gutenberg dummes Zeug verzählt. Und Marco Weidmann gab den „Mann am Klavier“.
Dafür gab es dann für alle Frauen einen Tipp vom Mariechen (Erika Bodtländer aus Staudernheim): „Tut niemals besoffen flirten. Das ist wie hungrig einkaufen gehen. Da nimmst du nämlich Sachen mit nach Hause, die wolltest du niemals haben.“ Großartig das androgyne Gardeballett. Die Männer aus Braunweiler zeigten ihre gut rasierten Beine. Mitreißend der Techno-Tanz der Gruppe „Starfire“. Und bewegend der Hip Hop aus den 90er Jahren, den die Tanzgruppe Ladykrachers aufs Parkett legte. Spaßig, sportlich und auch ziemlich weiblich ging es zu bei der Gutenberger Kappensitzung. Denn auch die Frauenquote wurde übererfüllt: Nur zwei Männer saßen im Elferrat – und hatten kaum etwas zu sagen.