Als Anja Münch aus Gutenberg vor ein paar Jahren mit ihren Naturgarten begann, gab es in der Straße fast keine Vögel. Inzwischen zwitschert es nicht nur ganz intensiv auf ihrem eigenen Grundstück – einem ganz besonderen Garten
Von Heidi Sturm
Die passionierte Gärtnerin hat Steine mit Pflanzennamen für Passanten aufgestellt.
(Fotos: Heidi Sturm)
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GUTENBERG - Mit den Worten „Mein Garten ist anders“ hatte sich Anja Münch für die „Gartenserie“ der AZ beworben. Und tatsächlich: Besitzer akkurater Rasenflächen und stilsicher angelegter Blütenpracht würden möglicherweise die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und von einer „Unkrautwiese“ sprechen. Für naturverbundene Menschen ist der Garten aber ein Paradies, in dem man immer Neues, Sehenswertes entdeckt. Was sofort auffällt: Hier schwirrt es von Insekten, und zwischen den Hecken vor der Terrasse erklingt Gezwitscher. Dort haben die Vögel ihr eigenes „Spaßbad“ mit kleiner Sprudelfontäne und einer 90-Liter-Wanne in einem Feldsteinhaufen. „Hier ist gerade im heißen Sommer viel los“, freut sich Münch über Badepartys von Kohl- und Blaumeisen, Amseln, Zilpzalp, Gartenrotschwanz, Türkentauben und natürlich Spatzen. Im Winter waren hier schon seltene Schwarzkehlchen, Wacholderdrosseln und Schwanzmeisen am Futterhäuschen. Alleine für den Anblick hat sich das „Muskelschmalz“ gelohnt, mit dem die Feldsteine und Totholz aus der angrenzenden Kulturlandschaft geschleppt wurden, erzählt sie. Auch den meisten Nachbarn gefällt der außergewöhnliche Garten. Es gab noch keine Beschwerden über vermeintlich „herumfliegende Unkrautsamen“ oder gar eine „offizielle Aufforderung“, hier „mehr Pflege“ walten zu lassen. Im Gegenteil: Etliche Anwohner sind inzwischen „Fütterer“ der Vögel, die aufgrund der Monokulturen oder Gifteinsatz auch im Sommer zu wenig Nahrung finden.
Im Zeitalter von Insektensterben und Glyphosat wollte Anja Münch mit ihrem Garten eine Alternative schaffen und möglichst viele einheimische Pflanzen und Tiere ansiedeln. Als Gartenanfängerin zahlte sie aber reichlich Lehrgeld für vermeintlich pflegeleichte und „bienenfreundliche“ Pflanzen, die sich später als steril, empfindlich oder wuchernd entpuppten. Unterstützung fand sie dann beim Netzwerk Naturgarten, für das sie mit ihrer Schwester Ulla Pauli die Regionalgruppe Rhein-Nahe gründete.
Im Garten gibt es 15 naturnahe und wilde Rosen, die allen Unkenrufen zum Trotz auch ohne Spritzen in jedem Jahr blühen und Hagebutten als Winterfutter liefern. Auch das etwas misstrauisch beäugte Abmagern des lehmigen Bodens trägt Früchte: Hier gedeihen „Blumen-Kräuter-Rasen“ und unzählige Stauden im Schotterstreifen am Staketenzaun. Einiges ging ein, anderes wächst prächtig und sät sich immer wieder aus, berichtet sie. Zweimal im Jahr wird die Wiese mit der Sense gemäht, das Heu kommt auf den Kompost. Die Stauden am Rand samen aus, bieten Futter für die Vögel und Winterquartiere für Insekten. In seiner Eigendynamik sieht der Naturgarten in jedem Jahr anders aus, manches verschwindet und taucht dann Jahre später an anderer Stelle wieder auf. Es ist allerdings ein Irrtum, dass in einem naturbelassenen Garten nicht gejätet wird: Nicht einheimische, wuchernde Pflanzen werden gezielt entfernt. Ebenso Gewächse, die sich allzu breit machen. Die Kräuterwiese, auf der als Hingucker im Frühjahr der knallrote Mohn und im Hochsommer die Schafgarbe blühten, bringt auch Vorteile: Durch den beschatteten Boden grünt es auch bei Hitze und Dürre immer noch. Unter dem Dach wohnt ein Gartenschläfer, die Kräuterspirale wurde von einem Mauswiesel besucht, und beim Aufwachen hört man das Brummen der Erdhummeln. Neben dem kleinen Kübelteich steht seit Kurzem ein Bienenvolk, auf einem Hochbeet, und in Töpfen wachsen auch einige Pflanzen „nur für die Menschen“: Da gibt es Tomaten, Salat, Radieschen, Karotten und Früchte. Für Passanten beschriftete die Gartenbesitzerin einige Steine mit den Pflanzennamen und freut sich jetzt, wenn Kinder staunend stehen bleiben oder auch Erwachsene sich bücken. „Es gibt immer wieder seltene Pflanzen und Tiere zu entdecken“, sagt Anja Münch, die den Mitmenschen gerne das Thema „Mehr Natur im Garten“ näherbringen möchte. Wer sich dafür interessiert und Tipps oder Anregungen möchte, darf sich melden unter Telefon 06706-9 15 49 36 oder per E-Mail an regiogruppe-rheinnahe@naturgarten.org.
GÄRTEN
Die AZ geht auf grüne Entdeckungstour und sucht in diesem Sommer Paradiese im Landkreis. Das können ausgefallene Gärten sein, durchgestylte Designer-Oasen oder wilde Landschaften mit nachhaltigem Konzept. Wer sein El Dorado vorstellen möchte, der kann sich melden per E-Mail an az-kreiskh@vrm.de oder unter Telefon 0671-3 77 38 81.