In der Kiesgrube Rümmelsheim wurde Kahlschlag betrieben
Der Eigentümer hat Bäume und Sträucher auf dem Gelände der ehemaligen Kiesgrube komplett beseitigt und so nach Auffassung der Naturschützer einen wichtigen Lebensraum zerstört.
Von Wolfgang Bartels
Gerhard Stumm und Harald Wolf vom Verein „Lebensraum Untere Nahe“ stehen vor den Überresten des Biotops, das sich seit 15 Jahren in der ehemaligen Kiesgrube Rümmelsheim entwickelt hatte.
(Foto: Wolfgang Bartels)
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RÜMMELSHEIM - „Alles plattgemacht und abgeholzt.“ Gerhard Stumm und Harald Wolf vom Verein „Lebensraum Untere Nahe“ sind entsetzt. Der Bulldozer, der das komplette Gelände der ehemaligen Kiesgrube Rümmelsheim II einplaniert hat, steht noch herum. Baumstümpfe erinnern an den ehemaligen Bewuchs, an der Seite liegen ganze Halden mit abgeschnittenem Strauchwerk. Damit kann der Verein eine Vision erst einmal begraben, die er gerade erst auf seiner jüngsten Mitgliederversammlung vorgestellt hatte. (Die AZ berichtete.)
Birgit Hermann, eine Studentin der Umweltwissenschaften an der Technischen Hochschule Bingen, hatte ihre Bachelorarbeit über das Kiesgrubengelände geschrieben. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sich auf der fast neun Hektar großen Fläche 15 Jahre nach Einstellung der Arbeiten ein Lebensraum mit einer vielfältigen Flora und Fauna, darunter auch viele geschützte Arten, entwickelt hat. Jedes Konzept, das diese Flächen wieder umwühlt, so die Studentin, würde diesen Lebensraum wieder zerstören. Sogar die für das menschliche Auge störenden Steilwände im Gelände seien „super für die Ökologie“, weil sich hier seltene Insekten, aber auch ein exotischer Vogel wie der Bienenfresser angesiedelt hätten. Birgit Hermann erklärte dazu: „Eine solche Fläche braucht kaum einen menschlichen Eingriff, sondern kann sich von selbst regenerieren.“ Nur die Anlage einer Streuobstwiese sei problematisch, weil in der Kiesgrube Erdmassen lagern, die mit Giften und Schwermetallen belastet sind. Daher sei es völlig fraglich, ob dort wachsendes Obst überhaupt gefahrlos verzehrt werden könne.
Doch jetzt hat der Besitzer der Kiesgrube, das Unternehmen Mineral-Baustoff GmbH in Sprendlingen, eine Tochter der Strabag, jede weitere Diskussion über die Zukunft des Geländes mit der Planierraupe beendet. Marta Bugdol von der Mineral erklärt dazu auf Anfrage der AZ: „Es war notwendig, das Gelände freizustellen, damit es nicht völlig zuwächst. Aber das entwickelt sich wieder.“ Die Mineral plant auf dem Gelände die Anlage einer Obstplantage und eines Trimm-Dich-Pfades mit Aussichtsturm: „Es wird aber nichts gemacht, bevor das Landesamt für Geologie und Bergbau über den Abschlussplan entscheidet.“ Eine Notwendigkeit für die Abholzaktion bestand demnach also nicht.
In den nächsten Tagen werden die Bienenfresser aus ihrem Winterquartier im Süden zurückkommen. Die Kiesgrube Rümmelsheim mit den Bruthöhlen in den Steilwänden ist eines der wenigen Vorkommen dieses Vogels in Deutschland. Auch Rebhuhn und Wildkatze hatten sich angesiedelt. Gerhard Stumm kann es noch immer nicht fassen: „Das alles ist jetzt zerstört, bei einer Nacht- und Nebelaktion.“ Der Verein „Lebensraum Untere Nahe“ sieht darin Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz und die Bundesartenschutzverordnung und erklärt: „Was nutzen all die von der Politik mit vielen Steuergeldern aufgezogenen Programme, schönen Flyer und Reden, wenn in der alltäglichen Praxis das Faustrecht der allmächtigen Bergbau-Lobby zählt.“
Der Verein hat die Abholzaktion bei der Unteren Naturschutzbehörde zur Anzeige gebracht. Dazu Harald Wolf: „Auch auf Flächen, die im Privateigentum einer Firma stehen und schützenswerte Biotope enthalten, dürfen nicht einfach ohne Zustimmung der Naturschutzbehörden Eingriffe erfolgen.“ Zuständig ist die Kreisverwaltung Mainz-Bingen, weil die ehemalige Kiesgrube Rümmelsheim bereits auf Münster-Sarmsheimer Gemarkung liegt. Gerhard Stumm und Harald Wolf können die in ihren Augen sinnlose Abholzaktion nicht nachvollziehen: „Die in den letzten 15 Jahren entstandene Pflanzen- und Tierwelt hätte hier bei entsprechender Pflege ein prägender Landschaftsbestandteil werden können, die in anderen Regionen nicht oder kaum auffindbar sind.“