Maronen rösten ist ihr Hobby

Allein die rote Lokomotive ist ein Blickfang. Dynah Ernst hat auf dem Bad Münsterer Weihnachtsmarkt schon eine ganze Menge Stammkunden. Auf der heißen Platte rösten die Maroni vor sich hin. Wenn die Schale am Schnitt aufplatzt, sind sie fertig zum Genuss. Foto: Wolfgang Bartels
PFAFFEN-SCHWABENHEIM/ BAD MÜNSTER - Ein süßlich-nussiger Duft weht über den Weihnachtsbaum. Er scheint daher zu kommen, wo eine rote Lokomotive steht. „Heiße Maroni“ ist auf der Lok zu lesen – und sie qualmt, wie eine richtige Dampflok. Drinnen steht Dynah Ernst (23) und röstet die Esskastanien auf der Gasflamme. Zuvor muss jede Frucht einzeln eingeschnitten werden. Nach rund zwanzig Minuten, wenn sich die harte Schale entlang des Schnitts wölbt, sind die Maroni fertig. Eine Tüte mit rund zehn Stück kostet drei Euro, die große Tüte mit rund 22 Stück sechs Euro. „Ich gebe immer ein, zwei mehr Früchte rein“, sagt Dynah Ernst und bedient den nächsten Kunden.
Gemeinsam mit ihrem Freund Ricky-Joe Bauer (25) wechselt sie sich am Maroni-Röster ab. Die beiden betreiben in Pfaffen-Schwabenheim eigentlich ein kleines Bau-Unternehmen. Die Eltern von Ricky waren es, die die Kinder auf die Maronen gebracht haben. „Meine Mutter stammt aus einer uralten Schaustellerfamilie. Und da gehört das einfach dazu“, sagt der junge Mann. Die Eltern haben auf dem Weihnachtsmarkt gleich gegenüber einen Stand mit vegetarischen Gerichten. Zum vierten Mal ist Ricky nun beim Weihnachtsmarkt in Bad Münster dabei.
Die rote Maroni-Lokomotive hat er übrigens selbst gebaut – als Blickfang vor dem Kurmittelhaus. Das Rösten ist das Hobby von Ricky und Dynah geworden – und an allen Wochenenden vor Weihnachten sind sie nun ausgebucht. Ihr Geschäft macht ihnen Spaß und läuft gut, wie Dynah versichert. Im Herbst besorgt sich Ricky die Früchte in Italien: „Dieses Jahr gab es eine gute Ernte. Ich habe noch keine einzige schlechte Frucht gefunden. Letztes Jahr hat das bei Weitem nicht so gut ausgesehen.“ Also war 2018 nicht nur ein gutes Jahr für Kirschen und Äpfel, sondern eben auch für Esskastanien.
DIE SERIE
Die vier Wochen vor Weihnachten sind einfach etwas ganz Besonderes. Doch während die meisten sich mit Plätzchen backen oder einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt auf den Heiligen Abend einstimmen, bedeutet die Adventszeit für viele auch vor allem eins: viel Arbeit. Die Allgemeine Zeitung hat einige von ihnen auf ihrer ganz besonderen Arbeitsstelle besucht.
Maronen sind die Früchte der Edel- oder Esskastanie, dem Baum des Jahres 2018. Sie wächst auch in unseren Breiten, doch bleiben hier die Früchte meist viel kleiner. Statt Öl und Fette wie die meisten anderen Nüsse enthalten die Maronen Stärke und Saccharose, also Zucker, was sie so süß schmecken und gerade zu Weihnachten so beliebt werden lässt. In den ärmeren Bergregionen Südeuropas war die Esskastanie bis ins 19. Jahrhundert hinein eines der Hauptnahrungsmittel. Nicht verwechselt werden sollten die Maronen mit der Rosskastanie. Deren Früchte sehen ganz anders aus, schmecken bitter und sind eigentlich ungenießbar.
Ricky meint: „Wir haben einfach Spaß an den Maronen. Wenn wir es nicht machen, macht es doch keiner.“ Er freut sich, wenn immer wieder Leute an der roten Lokomotive vorbeikommen und den rauchig-süßen Düften nachschnuppern. Viele Passanten fühlen sich an ihre Kindheitserlebnisse erinnert. Als Advent und Weihnachten noch nicht so überfrachtet waren wie heute, da war eine Tüte Maroni für die Kinder das absolute Erlebnis. So sind die Esskastanien von Dynah und Ricky auch ein altes Stück Weihnachtsbrauchtum, das zunehmend wieder lebendig wird. Deswegen holen sie gerne für ihre Kunden die Kastanien aus dem Feuer.