Der Bad Kreuznacher Markus Igel ist schwerstbehindert, konnte aber dank Assistenten ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen. Doch jetzt hat ihm das Amt die Mittel gestrichen.
Von Wolfgang Bartels
Markus Igel hofft, dass er nicht zurück muss ins Behindertenheim. Er möchte weiter in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung leben, unterstützt von seinen persönlichen Assistenten.
(Foto: Wolfgang Bartels)
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BAD KREUZNACH - Markus Igel (31) geht mit einer Riesensorge ins neue Jahr. Er hat Angst davor, wieder in ein Heim eingewiesen zu werden. Hochverschuldet ist er schon. Sechs Jahre lang durfte er nach seinen eigenen Vorstellungen in einer eigenen Wohnung leben – doch wenn es nach den Behörden geht, ist damit nun Schluss. Der junge Mann sitzt im Rollstuhl, seit seiner Geburt behindert, spastische Lähmungen in Armen und Beinen, Krampfanfälle, Panikattacken, akute Schmerzzustände.
Bis 2013 lebte Markus Igel in einer Behinderteneinrichtung. Dann schaffte er den Sprung „nach draußen“. Er zog in eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Bad Kreuznach, braucht aber rund um die Uhr Hilfe. Nach dem sogenannten Arbeitgebermodell engagierte er mehrere Assistenten, die sich bei seiner Betreuung abwechseln.
Behörde fordert Rückzahlung von über 80 000 Euro
Einer von ihnen ist René Kremer, der sich zum einen sehr engagiert um seinen „Chef“ kümmert, zum anderen mit dem kleinen Verdienst sein Studium finanziert. Doch einfach war dieser Weg für Markus Igel nicht. Immer wieder versuchten die Behörde, die notwendigen Hilfen zu kürzen, immer wieder stand Igel am Rande der Privatinsolvenz. Dabei hatte ihm im September 2016 sogar das Bundesverfassungsgericht Recht gegeben. Doch nun hat er erneut einen Bescheid erhalten: Das Landesamt für Arbeit und Soziales des Saarlandes, das aufgrund seines Geburtsortes Dudweiler für ihn zuständig ist, zahlt nicht mehr für seine persönliche Assistenz nach dem Arbeitgebermodell.
ONLINE-PETITION
Weitere Informationen zur Online-Petition unter: https://www.change.org/ versprochengebrochen.
Der Link zum Spendenaufruf: https://www.gofundme.com/markus-kampf- um-freiheit.
Er soll sogar mehr als 80 000 Euro an die Behörde zurückzahlen. Jetzt weiß Igel nicht mehr, wie er seine Assistenten bezahlen soll, zum Jahreswechsel sind all seine Ersparnisse aufgebraucht. Dann bleibt ihm nur noch die Rückkehr ins Heim. Er sagt dazu: „Ich durfte sechs Jahre Freiheit fühlen und soll nun wieder eingesperrt werden.“
Als empörend empfindet Igel, dass ihm das Landesamt erklärt, es werde nur das sogenannte osteuropäische Pflegemodell unterstützen. Damit sind Kräfte gemeint, die meist unter eher halblegalen Umständen zu Dumpinglöhnen von Agenturen in Polen oder Rumänien nach Deutschland vermittelt werden. Igel müsste mindestens zwei solcher Pflegerinnen in seiner kleinen Wohnung einquartieren und wäre auch für deren Essensversorgung verantwortlich. „Darauf kann ich mich unmöglich einlassen“, sagt er dazu. „Und da ich auch sprechbehindert bin, ist es fraglich, ob ich mich mit ausländischen Kräften überhaupt verständigen kann.“ Seine größte Sorge ist, dass eine polnische Pflegerin in einer Notfallsituation, die bei ihm immer wieder vorkommen kann, nicht in der Lage ist, angemessen zu reagieren. René Kremer, einer seiner bisherigen persönlichen Assistenten, wundert sich, dass staatliche Einrichtungen das in der Pflegebranche sehr umstrittene „Polenmodell“ überhaupt fördern. Dabei gebe es durchweg gute Erfahrungen mit dem Arbeitgebermodell, das bisher auch Markus Igel nutzen konnte.
Cindy Davi vom „Zentrum für Selbstbestimmtes Leben“ ist selbst auf den Rollstuhl angewiesen und schätzt, dass in der Region Bad Kreuznach inzwischen gut 600 persönliche Assistenten im Einsatz sind und dadurch auch Arbeitsplätze geschaffen wurden. In der Weigerung des saarländischen Landesamtes, persönliche Assistenten für einen Schwerstbehinderten zu finanzieren, sieht sie einen Verstoß gegen die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen.
Markus Igel bleibt wohl nichts anderes übrig, als erneut vor das Bundessozialgericht zu ziehen: „Doch wenn ich dort in zwei Jahren vielleicht Recht bekomme, nutzt mir das im Moment gar nichts, weil ich nicht weiß, wie ich bis dahin mein Leben finanzieren soll.“ Unterstützung erfährt Igel unter anderem von der Organisation „Ability Watch“. Sie hat über eine Internet-Petition bisher mehr als 15 000 Unterschriften für ein selbstbestimmtes Leben von Markus Igel gesammelt. Auch zu Spenden hat die Organisation aufgerufen, damit Igel die Zeit bis zu einer endgültigen Entscheidung überbrücken kann. Sollte diese für ihn positiv ausgehen, wird das Geld in den Unterstützungsfonds zurückgezahlt. Markus Igels Wunsch jedenfalls ist es, dass möglichst kein Betroffener mehr gegen seinen Willen in ein Heim gezwungen wird.