170 Teilnehmer demonstrieren für mehr Grün in der Stadt, einen optimierten Radverkehr und einen besseren ÖPNV.
Von Heidi Sturm
170 Männer, Frauen und Kinder radelten auf unterschiedlichsten Gefährten in einer langen Schlange durch die Straßen der Stadt.
(Foto: Heidi Sturm)
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BAD KREUZNACH - „Ich habe einen Traum“ zitierte Pfarrer Claus Clausen am Samstagmittag bei der Abschlusskundgebung zur Fahrrad-Demo vor dem Stadthaus den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King. Clausens Traum war deutlich bescheidener und lokal begrenzt, zielte aber auch auf Gleichberechtigung letztlich für eine bessere Welt. Der Pfarrer der Johannesgemeinde, der vor vier Wochen einen Fahrradgottesdienst initiiert und eine Petition für gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer gestartet hatte, wünschte sich praxistaugliche und sichere Lösungen für mehr Fahrradfahrer in der Stadt – und damit für mehr Klimaschützer und mehr Schöpfungsbewahrer. Ausdrücklich wünschte sich Clausen, dass Radfahrer und Autofahrer sich nicht als Gegner verstehen, die eine Schlacht schlagen, zum Teil seien es sogar dieselben Menschen.
Wie sehr dieser Wunschtraum teilweise noch von der Wirklichkeit entfernt ist, hatte kurz zuvor an der Ampel laut hörbar der Fahrer eines großen Autos bewiesen, der beim Vorbeifahren der von der Polizei gesicherten Radkolonne genervt den Motor röhren ließ und dann mit hoher Drehzahl bis zur nächsten Ampel davon schoss. Noch schlimmer trieb es ein Fahrer an der Kreuzkirche, der bei grüner Ampel auf seiner Vorfahrt beharrte und mit Scheibenwischer-Geste versuchte, sich zwischen die Radler zu drängen.
Initiiert wurde die erneute Fahrrad-Kundgebung von der Bürgerbewegung „Verkehrswende KH“, die mit mehr als 170 Teilnehmern einen neuen Rekord auf die Räder gebracht hatte. Der Tross radelte knapp neun Kilometer durch Innenstadt und Industriegebiet, um den Forderungen nach mehr Raum für Radfahrer und der beschleunigten Umsetzung des 2016 beschlossenen integrierten Verkehrskonzepts Ausdruck zu verleihen. Am Bourger Platz forderte man, die Innenstadt von Parkverkehr zu entlasten und die Parkplätze Wassersümpfchen, Neuruppiner und Bourger Platz aufzugeben, stattdessen Parkflächen an den Rand zu verlegen. „Wir brauchen im Zuge des Klimawandels eine veränderte Stadt mit viel mehr Grün, Radverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln“, forderte die Sprecherin Pia Hilgert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“, unterstrich die Rednerin vor dem Landesbetrieb Mobilität. Der Baulastträger der Bundes- und Landesstraßen in der Stadt werde mit seinem Konzept, weitere Entlastungsstraßen zu bauen, keine Verkehrsberuhigung für die Innenstadt erreichen. Hilgert forderte neue Verkehrskonzepte, in denen motorisierter Individualverkehr von Rad und Bus ersetzt wird.
170 Männer, Frauen und Kinder radelten auf unterschiedlichsten Gefährten in einer langen Schlange durch die Straßen der Stadt. Foto: Heidi Sturm
Die Abschlusskundgebung fand am Stadthaus statt. Foto: Heidi Sturm
Geballter Protest vor dem Stadthaus. Foto: Heidi Sturm
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Kritik an Verkehrsplanung zugunsten der Autofahrer
Die auf Autofahrer zugeschnittene Verkehrsplanung machte Herrmann Holste mit einem Gedankenexperiment zu den knappen Ampel-Grünphasen für Fußgänger deutlich. Übertragen auf Autofahrer müssten diese anhalten, aussteigen, einen Drücker betätigen und danach in zehn Sekunden eingestiegen und über die Kreuzung gefahren sein. „Im Vergleich zu anderen Städten ist immer noch ein sehr geringer Prozentsatz der Kreuznacher mit dem Fahrrad unterwegs, denn kaum ein Weg lässt sich auf sicheren Radwegen zurücklegen“, unterstrich Uwe Spietz. Konkret fordert die Bürgerbewegung ein durchgehendes Radwegenetz an allen wichtigen Straßen, die Aufgabe der Mehrspurigkeit zugunsten einer gleichberechtigten Nutzung der Verkehrsflächen und die Verlegung von Radwegen von den Bürgersteigen, weil auch ausreichend breite Wege für Fußgänger wichtig seien.
Spietz forderte zudem verbesserte Ampelschaltungen für Radfahrer und Fußgänger, einen attraktiveren ÖPNV sowie flächendeckendes Tempo 30 in der Stadt mit nachhaltiger Kontrolle. „Wir stehen auf der selben Seite“, betonte Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer als engagierte Radlerin. Da man nicht Herr über die wichtigen Straßen der Stadt sei, versuche man, sich mit Zwischenlösungen zu helfen, was aber ein steter Kampf im Stadtrat sei. Immer wenn man ein Stück erreicht habe, werfe einen der Gegenwind zurück. Daher sei sie dankbar für solche Demonstrationen: „Wir brauchen Sie noch einige Zeit an der Seite, damit wir Dampf in die Sache bekommen.“