Ein Lügner und Scharlatan sei er, bescheinigte dem Angeklagten der Vorsitzende Richter Bruno Kremer. Er habe in einer Mischung aus Geltungssucht und Geldgier gehandelt, warf ihm Staatsanwalt Günter Horn vor. Der 44-jährige angebliche Diplom-Psychologe aus Idar-Oberstein, der gar keiner war, wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges in 175 Fällen und in sieben Fällen wegen Falschaussagen vor Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt, die Einziehung von 280.000 Euro unrechtmäßiger kassierter Honorare wurde angeordnet.
Von Wolfgang Bartels
Symbolfoto: Sebra / Fotolia
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BAD KREUZNACH - Ein Lügner und Scharlatan sei er, bescheinigte dem Angeklagten der Vorsitzende Richter Bruno Kremer. Er habe in einer Mischung aus Geltungssucht und Geldgier gehandelt, warf ihm Staatsanwalt Günter Horn vor. Der 44-jährige angebliche Diplom-Psychologe aus Idar-Oberstein, der gar keiner war, wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges in 175 Fällen und in sieben Fällen wegen Falschaussagen vor Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt, die Einziehung von 280.000 Euro unrechtmäßiger kassierter Honorare wurde angeordnet.
Der Angeklagte war länger als fünf Jahre als Gutachter oder Sachverständiger für verschiedene Familiengerichte tätig, darunter auch in Bad Kreuznach und Bad Sobernheim. Seine Expertisen zeichnete er ab mit dem akademischen Titel „Diplom-Psychologe“. Nur: Ein Studium hatte er gar nicht absolviert, er hätte sich höchstens Heilpraktiker oder „nicht-ärztlicher Psychotherapeut“ nennen dürfen. Sein angeblich an der Universität des Saarlands erworbenes Diplom war plump gefälscht. Mit seinen wertlosen Gutachten habe er einen Schaden von rund 800.000 Euro angerichtet, so die Anklage.
Verhandlung wegen Drohanrufen hinter Panzerglas
Auch der vierte Verhandlungstag fand hinter Panzerglas statt, am Eingang starke Kontrollen und mit Schutzwesten ausgerüstete Justizbeamte. Grund für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen sind offenbar Drohanrufe bei Gericht. Der Prozess wurde wieder von einer ganzen Reihe von Eltern verfolgt, die aufgrund der Gutachten des Angeklagten ihre leiblichen Kinder weggenommen bekamen.
Als Zeuge vernommen wurde der Idar-Obersteiner Amtsgerichtsdirektor Hans-Walter Rienhardt, der dem Angeklagten um 2002 herum den ersten Gutachterauftrag erteilt hatte. Der Angeklagte sei damals zu ihm ins Büro gekommen und habe sich als Experte für kinderpsychologische Fachgutachten vorgestellt: „Ich ging von einem Studium aus, sonst hätten wir das Gespräch gar nicht geführt.“ Doch geprüft, ob wirklich ein Diplom vorhanden sei, habe er nicht. Das habe er der Kreisverwaltung überlassen wollen. Doch mit dieser habe es keinerlei Kommunikation gegeben.
Eltern bekamen ihre Kinder abgenommen
Rienhardt weiter: „Wenn ich gewusst hätte, dass der Titel gar nicht echt ist, hätte ich angewiesen, seine Rechnungen nicht zu bezahlen.“ Eine Psychologin aus Trier, die angeblich den Angeklagten bei Gericht empfohlen haben soll, bestritt dies mit den Worten: „Da wäre ich ja blöd gewesen. Er war damals meine Konkurrenz und hat mir die Aufträge weggenommen. Über die Leute habe ich mich schwarzgeärgert. Und zu Herr Rienhardt habe ich gerade gesagt: Das haben Sie nun davon.“
Staatsanwalt Günter Horn plädierte auf drei Jahre Haft: „Er hat Richter und die Gerichte hinters Licht geführt.“ Er habe unnütze Gutachten erstellt und das Vertrauen der betroffenen Eltern ins Gericht erschüttert. Die Folgen der Tat seien erheblich. Er habe nicht nur seine damalige Geschäftspartnerin in die Insolvenz getrieben, sondern viele Eltern hätten auch aufgrund seiner Gutachten die Kinder weggenommen bekommen.
Verteidiger bezweifelte die Strafbarkeit
Verteidiger Christoph Clanget hieb zunächst in die offenen Wunden: „Die Justiz muss sich fragen lassen, wieso so etwas niemandem aufgefallen ist.“ Moralisch sei das Verhalten des Angeklagten, der die Vorwürfe einräumte, sicherlich menschlich eine „Schweinerei“ gewesen, der Verteidiger bezweifelte jedoch die Strafbarkeit. Seine Gutachten seien fachlich alle in Ordnung gewesen. Und nicht der Gutachter habe die Urteile gefällt, sondern die Gerichte. Clanget forderte einen Freispruch für die Betrugsvorwürfe und allenfalls 21 Monate Haft auf Bewährung für die Falschaussagen vor Gericht.
Das Gericht folgte dagegen dem Antrag des Staatsanwaltes. Es bestehe kein Zweifel am Vorsatz. Der Angeklagte sei von Anfang an betrügerisch aufgetreten. Dem Ansehen der Justiz habe er schwer geschadet, die betroffenen Eltern hätten Vertrauen verloren. Drei Jahre Haft seien durchaus angemessen. Ein Vater kommentierte noch im Gerichtssaal: „Die Bestrafung haben ja schon die Eltern bekommen, denen aufgrund seiner Gutachten, die Kinder weggenommen wurden.“ Eine Mutter sagte: „Ein mildes Urteil im Vergleich zu dem, was er uns angetan hat.“