Thanu X aus Freiburg widmet sich beim Poetry Slam for Humanity am Fuße der Kreuznacher Brückenhäuser dem Schicksal von geflüchteten Menschen – und belegt am Ende Platz eins.
Von Helena Walheim
Volontärin
Thanu X aus Freiburg belegte den ersten Platz beim Poetry-Slam. Das Publikum unten am Steg und oben auf der Brücke hatte mit seinem Applaus entschieden.
(Foto: Helena Walheim)
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BAD KREUZNACH - „Das Boot sinkt. Die Korallenriffe werden zu Nachbarn, der Meeresboden zu tausend Särgen. Die Hoffnungen in Wassertropfen zersplittert, die Träume im Meer aufgelöst, der Glaube an die Menschheit von den Wellen weggespült.“ Zeilen, die erst mit der Dynamik in der Stimme der Autorin ihre gesamte Wirkung entfalten. Thanu X aus Freiburg ist die Gewinnerin des Bad Kreuznacher Poetry-Slams am Bootssteg. Moderiert wurde der Wettbewerb unter den Brückenhäusern von Sharon Ibler und Initiator Sven Timpe. Sechs Künstler aus ganz Deutschland haben ihre Texte zum Thema „Poetry for Humanity, Solidarity and Diversity“ vorgetragen.
„Lasst uns den Kampf aus dem Weg fegen“
In ihrem Gedicht „Was nun?“ widmet sich Thanu X dem Schicksal der geflüchteten Menschen, den Fluchtursachen und dem Thema Integration. Sie plädiert dafür, niemanden auszuschließen, auch nicht aufgrund seiner Ängste. „Wenn sie hetzen, lasst uns respektvoll bleiben. Wenn sie besorgt sind, lasst uns Lösungen vorschlagen, den Kampf beiseitelegen, den Hass aus dem Weg fegen“, sagt sie.
Ins Finale hat es auch Joshua Vogelgesang aus Bad Kreuznach geschafft, der bereits in der Vorrunde mit einem eher lustig-lockeren Text hervorsticht. Gerade noch den letzten Sitzplatz in der Bahn ergattert. Doch die Freude hält nicht lange an, als eine alte Dame ihn empört ansieht und verlangt, dass er den Platz für sie räumt. Kompliziert wird es, als noch eine Schwangere, ein Rollstuhlfahrer und ein Radfahrer sich einmischen. „Wer darf sitzen?“ „Sollten wir nicht eher froh sein, dass wir es alle so gut haben?“, fragt er, während der Streit um den Sitzplatz fast eskaliert. Auf einmal will jeder jedem helfen. Diese Geschichte hat am Ende einen ernsten Hintergrund und widmet sich der Frage: „Wo fängt Solidarität eigentlich an?“ Wie Vogelgesang zeigt, kann solidarisches Handeln bereits während einer Bahnfahrt beginnen.
DER WETTBEWERB
Der Poetry-Slam zum Thema „Poetry for Humanity, Solidarity and Diversity“ ist Teil der Interkulturellen Wochen in Bad Kreuznach. Finanziert wurde die Veranstaltung vom Jugendforum und erhielt zudem Unterstützung vom Verein Alternative Jugendkultur (AJK). Die Spenden des Abends kommen „Mission Lifeline“ zugute, einem 2016 gegründeten Verein zur Seenotrettung.
Bevor der Wettbewerb startet, stimmt die Kreuznacherin Lena Eckgold das Publikum mit einem passenden Text ein. Darin ging es um die – wörtlich – grenzenlose Liebe einer Mutter, die alle Mütter über die Religionen und Länder hinweg eint. Eines haben die Autoren gemeinsam: Sie alle streben nach mehr Menschlichkeit, Solidarität und Vielfältigkeit in der Gesellschaft. Die Texte thematisieren Geschlecht und Gender, Religionsfreiheit und Vorurteile. Sie handeln von Ausgrenzung und Ängsten. Während sich die Bonnerin Meike Vögt für mehr Aufklärung im Sexualkundeunterricht ausspricht, kämpft Artem Zolotarov aus Mainz mit seiner Stimme gegen Vorurteile Muslimen gegenüber.
„Stell dir vor, der Krieg wäre hier. Wie würdest du reagieren?“ Carolin Goebel aus Mannheim gibt sich die Antwort selbst: „Ich würde rennen, schwimmen, alles riskieren, was ich kann, meinen Körper bis ans Ende strapazieren.“ Statt zu fragen: „Wie viele wollen denn noch kommen?“, plädiert sie dafür, die Frage anders zu stellen: „Wie viele sollen denn noch ums Leben kommen, bis irgendjemand anfängt, Verantwortung zu tragen?“ Passend zum Spendenziel des Poetry-Slams – der Mission Lifeline.
Im Mittelmeer werde die Würde des Menschen missachtet und zugelassen, dass dort Menschen ertrinken, sagt Initiator Sven Timpe. Die einzigen, die sich dem entgegensetzen würden, seien private Seenotrettung-NGOs, wie Mission Lifeline. Durch Gedichte könnten die Zuhörer erfahren, wie sich zum Beispiel Muslime und farbige Menschen in Deutschland fühlen – und somit vielleicht auch das eigene Verhalten reflektieren. „Ich finde, dass Gedichte, Prosa und persönliche Berichte mehr Betroffenheit und Verständnis auslösen können als andere Textformen oder Medien.“