Bundestagskandidaten in Bad Kreuznach einig: Vielen Rentnern droht Altersarmut
Von Wolfgang Bartels
Wahlkampf im Bonhoeffer-Haus. Es diskutieren (von links): Lothar Ackermann (FDP), Antje Lezius (CDU), Joe Weingarten (SPD), Thomas Breuer (Industriegewerkschaft BAU), Manuela Holz (Die Linke) und Herbert Drumm (Freie Wähler). Foto: Wolfgang Bartels
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BAD KREUZNACH - „Die Rente ist sicher, hat mal ein Minister gesagt. Damit hat er aber nur sich selber gemeint.“ Ein Diskussionsteilnehmer macht seiner Wut über die Rentenpolitik der Bundesregierung Luft – und spielt auf Norbert Blüm an, der 1986 Wahlplakate mit diesem großartigen Versprechen klebte.
Anhebung des Rentenniveaus gefordert
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (BAU) hatte die Bundestagskandidaten im Wahlkreis 201 (Bad Kreuznach/Birkenfeld) ins Bonhoeffer-Haus zur Podiumsdiskussion zum Thema Rente eingeladen. Es war die erste Veranstaltung in diesem Wahlkampf, der sich nun der heißen Phase nähert, bei der diese Kandidaten aufeinandertrafen. Nur die Grünen hatten kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt. Allerdings: diskutiert wurde weniger: Die Kandidaten mussten sich nacheinander die Grundsatzreferate dreier Gewerkschaftsfunktionäre anhören und durften kurz Stellung nehmen, sodass eine wirklich spannende Debatte in den Ansätzen stecken blieb.
IG-BAU-Bezirksleiter Thomas Breuer aus Kaiserslautern erklärte, dass das Rententhema für die Gewerkschaft sehr wichtig sei: „Unsere Mitglieder in der Baubranche sind die ersten, deren Knochen kaputt sind. Die wenigstens schaffen es überhaupt, bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten. Und deswegen gucken sie bei der Rente oft in die Röhre und gehen in die Altersarmut.“ Erste Unruhe im Saal kam auf, als Antje Lezius (CDU) die Bundesregierung rühmte, dass sie die „Flexi-Rente“ verabschiedet habe, also die Möglichkeit, dass Rentenbezieher vor Erreichen der Regelaltersgrenze flexibler hinzuverdienen können. Davon hätten die Bezieher niedriger Renten gar nichts, wurde Lezius entgegengehalten. Notwendig seien vielmehr eine Anhebung des Rentenniveaus und Zuschüsse aus Steuermitteln bei den Niedrigstrenten.
ALTERSFLEXI-GELD
Die Industriegewerkschaft BAU fordert ein „Altersflexi“-Geld, um den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente zu verbessern. Darunter versteht sie eine staatliche Unterstützung für Beschäftigte, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden müssen. Zielgruppe dafür sind Beschäftigte zwischen 58 und 63 Jahren, die bei einer vorzeitigen Verrentung ansonsten Einbußen zu befürchten haben.
SPD-Kandidat Joe Weingarten stellte sich dem Publikum als IG-Metall-Kollege vor. Doch auch er machte sich beim Publikum wenig beliebt, als er erst einmal betonte, dass „das Risiko, in unserer Gesellschaft arm zu werden, geringer geworden ist – auch wenn es durchaus schwierige Einzelfälle gibt“. Deshalb plädierte er für ein Mindestniveau der Rente vergleichbar zum Mindestlohn, den die SPD in der Bundesregierung durchgesetzt habe. Weingarten sprach sich für eine „Bürgerversicherung“ aus, in die nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch Selbstständige und Beamte einzahlen. Aber er gab zu: „Städte, Länder und Bund wollen das nicht.“
Nachdem die Kandidatin der Linken, Manuela Holz aus Idar-Oberstein, ihren Mitbewerbern mehrfach ins Wort gefallen war, wurde sie von der Diskussionsleitung ermahnt: „Wir bleiben fair!“ Holz forderte eine Mindestrente von 1100 Euro und eine „solidarische Bürgerversicherung“. Betriebsrenten würden von der Linken abgelehnt, „weil sie an die Kapitalseite gebunden sind“. Für sein Spektrum völlig überraschende Positionen vertrat FDP-Kandidat Lothar Ackermann aus Idar-Oberstein, der als Vizepräsident der IHK Koblenz das ideale Feindbild der versammelten Gewerkschafter hätte abgeben können. Doch Ackermann sprach sich dafür aus, die Renten künftig individueller zu berechnen und eine flexible Altersgrenze zu ermöglichen. Die „Riester-Rente“, von der viele Arbeitnehmer ein zusätzliches Einkommen erwartet hätten, sei eine Mogelpackung. „Das steht aber in allen FDP-Papieren anders“, warf Weingarten ein, doch das konnte den Edelstein-Experten aus Idar-Oberstein nicht irritieren.
Auch Herbert Drumm, Kandidat der Freien Wähler, überraschte das Publikum mit einer Aussage, die die wenigsten Gewerkschafter von ihm erwartet hätten: „Das Programm der Freien Wähler deckt sich weitgehend mit Ihren Forderungen.“ Drumm plädierte für eine Grundsicherung, als Weingarten ihm in die Parade fuhr: „Wie hoch soll die denn sein?“ Bei rund 1000 Euro solle sie liegen, finanziert aus Steuermitteln, war Drumms Antwort, was der Kandidatin der Linken zu wenig war. Die Grundsicherung, egal ob 1000 oder 1200 Euro, werde ohne Finanzierungskonzept nicht funktionieren, warf Weingarten ein. Die Bilanz des Gewerkschaftsfunktionärs Thomas Breuer am Schluss der Debatte: „Wir haben das Rentenproblem nicht lösen können, aber wir haben viele Anregungen bekommen.“