Die Verwaltung Bad Kreuznachs erstellt mithilfe von Berufsschule und Zentrum für selbstbestimmtes Leben einen digitalen Stadtführer.
Im Jugendzentrum gibt es einen Aufzug, der von beeinträchtigten Menschen gut, weil beidseitig zu bedienen ist, wie Cindy Davi (3.v.li,) bei der Vorstellung des Projektes „Bad Kreuznach hürdenlos“ mit Vertretern der Verwaltung und der Berufsschule betonte.
(Foto: Isabel Mittler)
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BAD KREUZNACH - (red/isa). Für Menschen mit Beeinträchtigung kann es von großem Vorteil sein, im Vorfeld von Arztbesuchen, Einkaufstouren oder Freizeitaktivitäten zu wissen, ob Räume barrierefrei zu erreichen sind, ob es begleitende Hilfen für seh- oder gehbehinderte Menschen gibt oder ob die Türen breit genug sind, um mit einem Rollstuhl durchfahren zu können. Gemeinsam werden die Stadt, das Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL) sowie die Berufsbildende Schule TGHS ein Kooperationsprojekt starten, dass den Betroffenen entsprechende Informationen zuteilwerden lässt.
Erarbeitet wird ein digitaler Stadtführer unter dem Motto „Bad Kreuznach hürdenlos“. Vorbild ist die Stadt Landau. Dort hat sich Stadtpressesprecher Hansjörg Rehbein wertvolle Tipps einholen können. Er wird bei der weiteren Realisierung, die auf einen längeren Zeitraum zu sehen ist, von Jürgen Saueressig (Schwerbehindertenvertreter bei der Stadtverwaltung) und Dirk Basmer (Sozialamt) unterstützt.
Niemand wird bei der Aktion an den Pranger gestellt
„Die Barrierefreiheit für die behinderten und älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist uns ein wichtiges Anliegen.“ Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer appelliert daher an Hauseigentümer und Mieter der dafür infrage kommenden Gebäude, sich diesem Projekt zu öffnen. Zunächst geht es um Behörden, Betriebe, Praxen, Geschäfte, Cafés, Restaurants und Orte, wo die Menschen gerne Freizeit verbringen, wie das Kino oder das Schwimmbad. „Es wird niemand an den Pranger gestellt. Unser Ziel muss vielmehr sein, durch diese Aktion die Teilhabemöglichkeiten der behinderten Menschen am Leben in unserer Stadt zu verbessern.“ Für Vermieter und Geschäftsleute bietet sich gleichzeitig die Möglichkeit, über machbare Veränderungen Infos zu erhalten und sich im Bestfall sogar einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Das Projekt beinhaltet auch die Idee, nicht nur bauliche Barrieren über die Aktion abzuschaffen, sondern auch ideelle Hürden zu nehmen. Cindy Davi, ZsL, betont: „Es ist wichtig, dass wir eine Bestandsaufnahme haben: Wir erhoffen uns, dass Betriebe sich weiter Gedanken machen, wie sie die Situation verbessern können.“ Grundsätzlich sei das Vorhaben ein „tolles Projekt“, so die ZsL-Geschäftsführerin.
NACH KRITERIEN ERFASST
In einer Infoveranstaltung mit allen Beteiligten wird das Projekt „Bad Kreuznach hürdenlos“ am Mittwoch, 12. September, ab 19.30 Uhr im Jugend- und Kooperationszentrum „die Mühle“ vorgestellt. Über den Aufzug am Eingang Mühlenstraße 25 ist der Veranstaltungsraum im 2. Obergeschoss barrierefrei zu erreichen.
Die aufwändige Erfassung der Gebäude nach Kriterien der Barrierefreiheit sowie die Eingabe der Information übernehmen zu einem großen Teil Berufsschüler. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung und des ZsL werden die Oberstudienräte Sascha Eske und Georg Wetstein von der BBS TGHS vorab lang von einem Fachmann der Firma „huerdenlos“ geschult.
Die Software „huerdenlos“ der gleichnamigen Firma wird bereits in einer Reihe von Kommunen im Südwesten Deutschlands eingesetzt. Unter anderem in Heidelberg, Schwetzingen, Erlangen sowie in Landau, der ersten Stadt in Rheinland-Pfalz, die das Projekt durchführte.
Für eine Stadt wie Bad Kreuznach mit so vielen Menschen, die auf eine genaue Abmessung und Bestandsaufnahme der barrierefreien Gegebenheiten angewiesen sind, sei so ein Stadtführer sehr wertvoll. Das sorge für Erleichterung nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigung, sondern auch für Familien mit Kinderwagen oder für alle Senioren. Er liefert für alle Bürger direkte und kurze Informationen, ob es möglich ist, die jeweilige Örtlichkeit mit unterschiedlichen „Handicaps“ besuchen zu können. „Neben der Bestandsaufnahme ist es hoffentlich auch ein Ansporn für Plätze die noch nicht so barrierefrei sind, barrierefreier zu werden“, hofft Cindy Davi, ZSL-Geschäftsführerin.
Grundlage für den erhofften Erfolg des Projektes sind die beiden Partner, die sich mit der Stadt verbunden haben: Neben dem Zentrum für selbstbestimmtes Leben ist dies die Berufsbildende Schule Technik, Gewerbe, Hauswirtschaft und Soziales (TGHS). Die Oberbürgermeisterin bedankt sich bei allen Beteiligten sowie bei der Aktion Mensch, die durch die finanzielle Förderung in Höhe von 5000 Euro den Start des Projektes sichert.
Die Berufsbildende Schule TGHS wird mit Schülern der Bauzeichner-Klassen sowie der Höheren Berufsfachschule Sozialassistenz unter der Federführung der Oberstudienräte Sascha Eske und Georg Wetstein an dem Projekt teilnehmen. Für die Schüler bietet sich die Gelegenheit, im Rahmen ihrer Ausbildung praxisnahe Erfahrungen zu sammeln und sich auf Fragen des späteren beruflichen Alltags vorzubereiten. So stellt die Datenerhebung ebenso wie die Frage der Barrierefreiheit selbst einen wesentlichen Teil der Berufsfelder dar.
„Wie ist die Raumbeleuchtung, wie ist der Bodenzustand und sein Kontrast zu den Wänden, welche Aufschlagrichtung hat die Tür?“ Diese in wichtige Details gehenden Infos werden mit „Bad Kreuznach hürdenlos“, dem digitalen Stadtführer für Menschen mit Behinderungen und Senioren“ abrufbar sein. Anfang 2019 soll der Stadtführer mit den ersten Beschreibungen von Gebäuden aus den Bereichen öffentliche Verwaltung, Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel, Freizeitaktivitäten und weiteren Informationen online gehen. „Für die Schüler wird die Teilnahme im Rahmen von Exkursionen sowie Schülerprojekten möglich sein“, erläuterte Martin Kress, einer der beiden stellvertretenden Schulleiter.
Für die Berufsschulklassen heute und für die künftigen Schüler bringe das Projekt auch eine Bewusstseinsbildung mit sich, bei der Vorbehalte und Ängste gegenüber Menschen mit Behinderung abgebaut werden können, hob Cindy Davi hervor.