Reizende Wahlgeschenke: AfD-Jugend verteilt Pfefferspray in...

Am Stand der Junge Alternative (JA) in Bad Kreuznach wird Pfefferspray als Wahlgeschenk verteilt. Foto: Facebook
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Während viele Parteien Kugelschreiber oder Luftballons verteilen, entschied sich die Junge Alternative (JA), Jugendpartei der AfD, für ein Wahlgeschenk der anderen Art. In der...

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BAD KREUZNACH. Die Sonne wärmt die Fußgängerzone langsam auf, Menschen verbringen einen gemütlichen Samstagsbummel in der Innenstadt, sie trinken Kaffee – und die Junge Alternative (JA) verteilt um die Ecke Pfefferspray. Ein kleines Geschenk von Wahlstand der Jugendpartei der Alternative für Deutschland (AfD). Dazu gibt es einen Beipackzettel: „Nur gegen Tiere einsetzen“. Grünenpolitikerin Stephanie Otto hat genau das beobachtet – und dem Kreisjugendhilfeausschuss mitgeteilt.

Otto trägt ihren Bericht langsam, mit Verachtung in der Stimme vor. Mit ihren Parteikollegen ist sie ebenfalls in der Fußgängerzone gewesen, ein Vater mit seinem minderjährigen Sohn sei vorbeigekommen – und hat ihr von dem reizenden Angebot am JA-Stand berichtet. Otto: „Ich habe Polizei, Ordnungsamt und die Oberbürgermeisterin informiert.“ Kurz darauf erzählen ein 17- und ein 18-jähriges Mädchen ihr dieselbe Geschichte. „Hier habt ihr Pfefferspray, um euch gegen Nordafrikaner zu wehren“, habe das Angebot am JA-Stand an die zwei jungen Frauen gelautet. Rainer Dhonau, Die Linke, bestätigt im Ausschuss Ottos Aussagen.

Tierspray fällt nicht unter das Waffengesetz

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Otto schließt ihren Vortrag mit: „Wir haben eine neue Dimension erreicht, wir müssen gemeinsam aufstehen gegen dieses Vorgehen.“ Zudem fordert sie, rechtlich zu prüfen, inwieweit das Verschenken von Pfefferspray an Jugendliche gesetzeswidrig sei. Lothar Zischke vom Kreisjugendamt stellt aber noch während der Sitzung klar: „Pfefferspray mit der Kennzeichnung zur Tierabwehr fällt nicht unter das Waffengesetz und kann an Personen jedes Alters ausgeteilt werden.“ Rechtlich also könne weder Politik noch Polizei gegen die JA und ihre Geschenke vorgehen.

Brisant allerdings ist: Nicole Höchst, Direktkandidatin der AfD im Bad Kreuznacher Wahlkreis, ist an der Aktion beteiligt gewesen. Höchst ist Studienrätin und somit Beamte im Staatsdienst. Ihr sei laut Beamtenrecht untersagt, so Stephanie Otto, zur Gewalt anzustiften. „Und genau das ist in ihrem Beisein am JA-Stand mit der Hetze gegen Nordafrikaner geschehen.“ Direktkandidatin Höchst zeigt sich auf Anfrage dieser Zeitung verwundert über die Vorwürfe, sieht keinen Verstoß gegen das Beamtenrecht. Aus dreierlei Gründen. Zum einem „habe ich den ganzen Tag über kein Spray in der Hand gehabt, also nichts verteilt“. Das Ganze sei eine Aktion der JA gewesen – und eben keine der AfD. Des Weiteren sei am Verteilen vom Pfefferspray nichts Strafbares. Und zum dritten: „Ich habe niemanden etwas gegen Nordafrikaner sagen hören.“

Stadt und Kreis bereiten gemeinsame Erklärung vor

Vielmehr freut es die Direktkandidatin, dass die Wahlwerbung mit einem politischen Thema verknüpft werde: mit dem der Inneren Sicherheit. „Wir müssen endlich darüber reden, warum es in Bad Kreuznach No-Go-Areas gibt, wieso wir in Sachen Sicherheit Defizite haben.“ Einen moralischen Verstoß sieht sie bei der Reizgas-Aktion nicht, sondern lediglich „knallharten Wahlkampf“. Zielgruppe der Aktion seien nur Mädchen und junge Frauen ab 17 Jahren aufwärts gewesen. „Wir haben darauf geachtet, keine Kinder einzubeziehen.“ Wieso aber ein Vater mit seinem jungen Sohn trotzdem angesprochen wurde, weiß Höchst nicht. „Wenn ein Elfjähriger aussieht wie 17, kann das durchaus mal passieren.“

Landrätin Bettina Dickes kündigt an, den Vorfall der rheinland-pfälzischen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) zu melden, die als zentrale Verwaltungsbehörde des Landes zuständig für Schulen und ihre Studienräte ist. Zudem kündigt Dickes an, „für Montag im Kreistag eine gemeinsame Erklärung von Kreis und Stadt vorzubereiten“.