Landstuhler Burgspieler inszenieren in Bad Münster am...

Ein historisches Feldlager vor beeindruckender Kulisse. Die Landstuhler Burgspieler inszenierten das Stück „Ich hab’s gewagt“. Das fast 40-köpfige Ensemble führte das Publikum zu drei unterschiedlichen Spielstätten auf der Ebernburg.Foto: Nathalie Doleschel  Foto: Nathalie Doleschel
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„Ich hab’s gewagt“ – der Titel des Stücks war Programm. Nicht eine, sondern gleich drei Bühnen, die zu bespielen waren, in und um die Sickingen-Wohnstätte Ebernburg....

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BAD MÜNSTER AM STEIN-EBERNBURG. „Ich hab’s gewagt“ – der Titel des Stücks war Programm. Nicht eine, sondern gleich drei Bühnen, die zu bespielen waren, in und um die Sickingen-Wohnstätte Ebernburg. Eine Traumkulisse mit Abzügen in der B-Note: Die marode Treppe zum Innenhof der Burg blieb mit einem wenig einladenden Stahlkonstrukt gesichert und eher ungenutzte, holprige Gehwege führten das Publikum von Bühne zu Bühne. Immerhin, das Wetter hielt. Das großartige, fast 40-köpfige Ensemble der Landstuhler Burgspieler, eine Laientheatergruppe mit Unterstützung weiterer Vereine aus der Sickingen-Stadt, hatte sich einiges vorgenommen.

Viermal an drei Tagen insgesamt standen die tragischen, jedoch fiktiven Ereignisse des Jahres 1522 im Mittelpunkt. Die Gäste mittendrin in Zeiten des Aufruhrs, in denen es an allen Ecken gärt. „Der Bauer ist wild. Der Bürger geizt. Und der Adel kratzt. Summa, wir brauchen einen Herrn!“ Der ewige Landfrieden ist zwar ausgesprochen, doch das Volk wehrt sich gegen den ausbeuterischen Adel. Die Ritter durch die geballte Macht der Kurfürsten von Trier, Hessen und Pfalz entmachtet – in diesen Zeiten also, eilt der glücklose Franz von Sickingen (Frank Zimmer) seinem Freund Johann Hilchen (Patrick Haselbach) zur Hilfe, um „der guten Sache zu dienen“. Doch ist sie gut und endet sie gut? Sickingens erfundene Schwester, die gescheite Justine (Franziska Altherr), sieht das drohende Unheil kommen und warnt mit der Frauen eigenen, klugen Beobachtungsgabe vor dem wie so oft von Männern gemachten Verderben.

Ein Stück mit aktuellen Bezügen

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Regisseur Andreas Altherr, der selbst in die Rolle des Kurfürsten von Greiffenklau schlüpfte, schuf ein sehr lebendiges, ernstes Stück, das den Umbrüchen in Zeiten Luthers nachspürt, frei nach Eduard von Bauernfelds Romanfigur „Franz von Sickingen.“ Mit hochaktuellen Bezügen. Die Zuschauer, es sind am Samstagnachmittag vielleicht 60, wandern entschlossen mit, von Bühne zu Bühne, Ablasshandel und Almosen an die an Hunger leidende Landbevölkerung inklusive. Ein Schelm, wer hier Böses denkt.

Am Denkmal die Ritterstube, mit Hilchen, den Rittern und Sickingen, der hitzige Pläne schmiedet. Und Sitzplätzen auf der Mauer, im Schatten. Auf der Treppe und im Innenhof die Ablasshändler und schließlich der Fürst, der vom Magistrat allein gelassen wird und die um Gnade flehenden Frauen der Räte verjagt. Am aufwändig dekorierten Feldlager unterhalb der Burg knieende Mägde und lungernde Bauern, die auf Sickingen und seine Mannen treffen und in Person ihres Anführers Jäcklein (Andreas Franz) den Bundschuh, die Bauern-Fahne, und ihren Dienst anbieten.

Fürs Publikum gibt es Bierbänke und pralle Sonne. Wer jetzt nicht mehr mithalten kann, bei Tempo, Geschichte und Rundumgang, ist spätestens im Innenhof wieder im Bilde. Denn es fallen Böllerschüsse, die Fehde gerät zum „Krieg“ und Franz’ Ende ist nah – auch das Ende des Stücks. Luther, der lang ersehnte Heilsbringer, ist nach zweieinhalb Stunden angereist und mahnt den Fürsten: „Es sind nicht nur Rudel und Rotten, sondern es ist auch ein Volk; gebt ihm, was ihm gebührt!“ Die Reichsacht wird aufgehoben, doch für Sickingen, die tragische Figur, kommt jede Versöhnung zu spät.

Dem Ensemble gebührte zurecht ein großer Applaus, und den Gästen gelüstet es nach etwas zu Trinken und zu Essen. Der Ebernburg-Verein grillt immerhin Bratwürstchen vor verschlossener Türe der Burgschänke und schenkt Reformationswein aus – insgesamt ein bisschen fade geratenes Rahmenprogramm für so viel Aufwand, der mehr Gäste und Wertschätzung verdient hätte.

Denn wer den Aufstieg zur Ebernburg gewagt hatte, wurde belohnt: „Ich hab’s gewagt“ ist ein Aufruf, Autoritäten und alte Regeln zugunsten einer unvermeidbaren Erneuerung infrage zu stellen.

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So wie aktuell in Europa. „Heute leben wir in Frieden, in Freiheit und Toleranz, ein wahrer Schatz. Bleiben Sie angesteckt“, mahnt dann auch die kluge Erzählerin, bevor die Gäste, die immerhin nie gekannte Ecken der Ebernburg entdeckten, mangels anderer Optionen sang- und klanglos nach Hause aufbrachen.