Klaus Nieding treibt auch mal Konzerne wie die Commerzbank vor sich her. Foto: DSW
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KREIS BAD KREUZNACH - Strafzinsen, Diesel-Skandal, Unruhe an den Aktien-Märkten – Zeit für ein Gespräch mit Klaus Nieding, Chef der Frankfurter Kanzlei Nieding&Barth. Der Meddersheimer Jurist (und leidenschaftliche Jäger) – laut Handelsblatt „einer der renommiertesten deutschen Anlegerschutzanwälte“ – kennt die Sorgen von Sparern und Kleinanlegern.
Herr Nieding, stellen wir Ihnen dieselbe Frage wie 2011 schon mal: Einer Ihrer Jagdkollegen möchte 10 000 Euro anlegen. Was raten Sie ihm heute – unters Kopfkissen damit?
Das Kopfkissen ist nach wie vor der unsicherste Platz für Geld, denn die Gefahr eines Wohnungseinbruches ist unverändert hoch. Es bleibt bei meinem Rat von vor sechs Jahren: Anlagen in deutsche Investmentfonds – bis zu 3000 Euro in Aktienfonds, bis zu 7000 Euro in Rentenfonds deutscher Kapitalanlagegesellschaften.
Grundsätzlich: Wer sollte sein Geld in Aktien anlegen?
Derjenige, der sich der Risiken bewusst ist. Außerdem gilt für konservative sicherheitsbewusste Anleger immer der Rat, maximal 30 Prozent des Anlagekapitals in Aktien zu investieren.
Nun ziehen am Horizont Strafzinsen auch für Tagesgeld und Konten herauf. Wie soll der kleine Mann mit seinem sauer ersparten Geld darauf reagieren?
Sofern Banken Privatkunden Negativzinsen auf Giro- oder Tagesgeldkonto berechnen, ist dies vergleichbar mit einem Darlehensnehmer – nichts anderes ist die Einlage des Kunden –, der plötzlich eine Gebühr für seine Nutzung des Darlehens verlangt. Auch die Einführung von Guthabengebühr oder Verwahrentgelt geht einseitig seitens der Bank nicht, nur mit Zustimmung des Bankkunden. Will die Bank solche Gebühren einführen, ist zu beachten, dass nur Nebenbedingungen geändert werden können, nicht aber der eigentliche Vertragstyp – die Bank kann also nicht aus dem Darlehensvertrag plötzlich einen Verwahrvertrag machen, bei dem sie sich die Verwahrung der Einlagen vergüten lässt.
Und Neu-Verträge?
Unter bestimmten Voraussetzungen ist da die Einführung eines negativen Einlagezinses möglich. Dies muss aber zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden vereinbart werden. Im Zweifel bleibt dann nur der Wechsel zu einer Bank, die keine solchen Kosten verursacht.
Was bedeuten Strafzinsen für kleine und mittlere Unternehmen?
Eine Erhöhung der Kosten. Je nach Kundenbeziehung sollte man mit der Bank darüber verhandeln. Im Zweifel gilt auch hier: Wechsel zu einem anderen Kreditinstitut.
Sie haben ja viel mit Kleinanlegern zu tun – wie reagieren die?
Da herrscht ein gewisses Unverständnis. Allerdings versuchen wir den Leuten auch klar zu machen, dass auch Banken und Sparkassen letztlich Wirtschaftsunternehmen sind, die auf das Erwirtschaften ihrer Kosten angewiesen sind. Wir Deutsche haben da zum Teil ein gestörtes Verhältnis: Bankdienstleistungen müssen grundsätzlich kostenlos sein…
Teilen Sie die Ansicht, dass der kleine Mann der große Dumme der Bankenkrise ist, weil Null- und Strafzinsen sein Eigentum aufzehren?
Nein, denn Null- und Strafzinsen sind keine Folge der Bankenkrise, sondern der Eurokrise. Und was das angeht, sind wir die Profiteure des europäischen Währungsraumes. Unsere Wirtschaft brummt auch deshalb, weil unser Export von diesen Rahmenbedingungen in erheblichem Maße profitiert. Also profitiert auch der vielzitierte kleine Mann mit seinem sicheren Arbeitsplatz vom Euro.
Nach dem Bankencrash versprach die Regierung Maßnahmen zur Regulierung der Banken. Was ist davon geblieben?
Da ist einiges gekommen, nur lassen die positiven Effekte auf sich warten. Ein gutes Beispiel sind die neuen Vergütungsregeln bei den Banken – gut gemeint, aber direkt von den Banken umgangen. Daran sieht man, dass das Ordnungsrecht immer hinterher läuft, was aber nicht die Schuld der Politik ist. Die Kultur muss sich ändern – das aber kann kein Gesetz. Aber nicht alles ist schlecht. Nehmen Sie zum Beispiel die Neuregelung zur Eigenkapitalunterlegung von Risikogeschäften, die Beaufsichtigung von Abschlussprüfern.
Sie vertreten Anleger auch im Diesel-Skandal. Was halten Sie denn von den Ergebnissen des so genannten Diesel-Gipfels?
Ich habe meine Zweifel, ob die Maßnahmen dazu beitragen, die Probleme zu lösen. Da geht es zum einen um die Umwelt-Grenzwerte, zum anderen aber um nicht weniger als die Rückgewinnung des Vertrauens in die deutsche Automobilindustrie. Auf jeden Fall sind die Vorwürfe ausgesprochen schädlich für die Aktienkurse.
In welchen Fällen ist Ihre Kanzlei da aktiv?
Wir klagen in Musterverfahren gegen Volkswagen und Porsche wegen verspäteter Information der Aktionäre. Zusätzlich bereiten wir Klagen auch gegen andere Hersteller vor. Mit unserer amerikanischen Partnerkanzlei vertreten wir Schadenersatzansprüche von Aktionären von 2,5 Milliarden Euro. Übrigens kann jeder VW-Aktionär seine Ansprüche im laufenden Musterverfahren nur noch bis Anfang September kostengünstig anmelden. Danach bleibt ihm nur der deutlich teurere Weg der Einzelklage. Ich bin sehr zuversichtlich, dass meiner Kanzlei in den nächsten Jahren die Arbeit nicht ausgehen wird…
In einigen Wochen sind Bundestagswahlen. Was erwarten Sie in Finanzdingen von einer neuen Bundesregierung?
Einige Beispiele: Direkte Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten gegenüber den Aktionären bei pflichtwidrigem Handeln und wenn falsch informiert wurde. Beweislastumkehr bei der Anlageberatung – nur das hilft, alles andere ist Flickschusterei. Und ganz wichtig: eine Abgeltungssteuer, die das langfristige Anlegen und Sparen und damit die eigenverantwortliche Vorsorge nicht sanktioniert.