Lebenszeichen: Kreis-Pressewart Michael Simon reagiert als erster Sozialdemokrat auf Weingarten-Interview

Kreis-Pressewart der SPD: Michael Simon. Archivfoto: bev Foto:
KREIS BAD KREUZNACH - Nachts um 1.15 Uhr, als die heiße Luft etwas abgekühlt ist, ist die E-Mail rausgegangen. Nach sechs Tagen Funkstille. Das AZ-Interview mit Dr. Joe Weingarten (SPD) vergangene Woche hat für einen lauten Nachhall gesorgt, von CDU bis FDP reagierten die Politiker auf die teils provokanten Aussagen des SPD-Mannes aus Alsenz. Weingarten hatte in der AZ gefordert, dass seine Partei bei Einwanderungsfragen eine kritischere Haltung einnehmen müsse – und Seehofer als inhaltliches Vorbild ins Spiel gebracht. In den politischen Presseverteilern und sozialen Netzwerken rollte umgehend eine lebhafte Diskussion an. Nur aus den Reihen der SPD, von dort kam zu den Aussagen ihres Genossen nichts. Gar nichts. Kein Reflex, kein Tweet, keine offizielle Stellungnahme – bis Dienstag. Nachts um 1.15 Uhr.
Michael Simon, Presseverantwortlicher und stellvertretender Vorsitzender der Kreis-SPD, ist der erste Sozialdemokrat, der sich zur Causa Weingarten äußert. In einer nächtlichen Presseerklärung, in der er die Aussagen seines Parteikollegen als „zugespitzt und polarisierend“ bezeichnet.
Wichtig ist Simon aber, dass jedes Mitglied in der SPD eine persönliche Meinung haben dürfe. Denn: „Einiges deckt sich auch mit der Haltung der Partei“, wenngleich Simon einräumt, dass Weingartens Positionen in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik strittige Diskussionen auslösen könnten. „Das ist aber überhaupt nicht schlimm oder ungewöhnlich in einer Programmpartei wie der SPD. Das gehört zur innerparteilichen Demokratie“, lobt Simon sogar den Diskussionsanstoß und teilt im AZ-Gespräch mit, dass sich die SPD zukünftig wirklich wieder mehr um die Belange der einfachen Bürger in der gesellschaftlichen Mitte kümmern müsse. Was das heißt für die künftige Migrationspolitik der SPD, lässt Simon allerdings offen.
Zusätzlich feuert der Pressewart noch einige verbale Salven gegen den politischen Mitbewerber, die CDU, ab. Ob Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die Bundestagsabgeordnete Antje Lezius oder der Kreis-Vorsitzende Michael Cyfka, durch alle politischen Ebenen hindurch hatten die Christdemokraten auf das Weingarten-Interview reagiert – teils mit hämischen Kommentaren. Simon dazu trocken: „Hieraus jetzt, wie die CDU gerade demonstriert, einen kleinkarierten Sturm im Wasserglas zu erzeugen, lässt uns Sozialdemokraten eher gelassen schmunzeln.“
Einen ganzen Begriffskatalog stellt Simon zum großen Presse-Echo der Christdemokraten zusammen. Vom „durchschaubaren Ablenkungsmanöver“ bis hin zu „Kaffeesatzleserei“ reicht Simons Wortpalette. Mehr noch: „Mit Seriosität hat das jedenfalls wenig zu tun, vielmehr kommt dabei ein Hauch politischem Klamauks zum Ausdruck.“
Die Union, so rät der Sozialdemokrat, solle stattdessen erst einmal vor der eigenen Haustür kehren und ihre offenen Fragen in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik klären, bevor sie der SPD vermeintlich kluge Ratschläge gebe, blickt Simon auf das asylpolitische Chaos in der Union zurück. „Wer Herrn Seehofer und seine politischen Rechtsausleger aus Bayern in seinen Reihen hat, möge sich doch etwas zurückhaltender zeigen und auf scheinheilige und von reinem parteitaktischem Kalkül getriebene Statements verzichten“, rät der Sozialdemokrat und schließt das Kapitel Weingarten. „Im Übrigen war es die SPD, die das unterirdische politische Treiben zwischen den angeblichen Schwestern CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik halbwegs geordnet und dafür gesorgt hat, dass aus der Unionskrise keine Staatskrise geworden ist.“ Klare Worte für nachts um 1.15 Uhr.