Joe Weingarten und das „Gesindel“: Mitglieder der Mainzer SPD legen Parteiaustritt nahe – CDU hinterfragt Rolle von Denis Alt
Dr. Joe Weingarten (SPD) hat Geflüchtete in drei Gruppen eingeteilt, eine davon nennt er „Gesindel“. Das geht der AG Migration und Vielfalt der Mainzer SPD zu weit.
Von Stephen Weber
Zentraler Reporter
Im Gegenwind: Laut der AG „Migration und Vielfalt“ der Mainzer SPD seien Joe Weingartens (vorne) Aussagen zu Malu Dreyer „an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“. Archivfoto: Mittler
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KREIS BAD KREUZNACH - Von Mainz bis Berlin – die SPD aus dem Kreis Bad Kreuznach lässt derzeit viele Politikeraugen verwundert dreinblicken. Erst setzt beim Parteitreffen in Roxheim Dr. Joe Weingarten (SPD) zur zweiten Polterrunde gegen seine Parteispitze und gegen seine Vorgesetzte an, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (ebenfalls SPD) – und teilt dann noch Geflüchtete in drei Gruppen ein, eine davon nennt er „Gesindel“. Zu viel für die Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt der Mainzer SPD. Via Facebook legt die AG ihrem Genossen indirekt einen Parteiaustritt nahe.
Wie die AZ vergangene Woche schrieb, hatte Weingarten in Roxheim Geflüchtete in drei Gruppen eingeteilt: „Asylsuchende“, die Deutschland aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen aufnehmen müsse. „Arbeitssuchende“, die meist keine ausreichende Qualifikation hätten. Und eine dritte Gruppe, das „Gesindel“ – ohne jedes Recht auf Aufnahme.
Zu dieser Einteilung schreibt die AG Migration und Vielfalt: „Joe Weingarten spricht über Flüchtlinge als Gesindel und untergräbt damit sozialdemokratische Werte, wie Respekt und Anstand.“ Weingarten hatte außerdem beim Parteitreffen in Roxheim zum Ausdruck gebracht, dass er bei Dreyers Ansprachen verständliche, klare Worte vermisse. Mehr noch: Wie die Ministerpräsidentin habe sich die gesamte SPD-Spitze zu weit von den einfachen Menschen entfernt.
Hierzu heißt es aus Mainz, dass die Vorwürfe an „Lächerlichkeit nicht zu überbieten“ seien. Stattdessen bezeichnet die Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt Weingartens Wortwahl als „zunehmend radikal“ und schädlich für die Sozialdemokratie. Weiter: „Wenn er mit der klaren Haltung der rheinland-pfälzischen SPD für Menschlichkeit und Respekt unzufrieden ist, so steht es ihm frei, die Partei zu verlassen“. Ja, es knirscht im sozialdemokratischen Getriebe.
Auch die rheinland-pfälzische CDU verfolgt das Treiben der SPD im Kreuznacher Wahlkreis mit einer Mischung aus verwunderter und schadenfreudiger Distanz – wie der Landesgeschäftsführer Jan Zimmer zeigt, indem er die Frage aufwirft: „Was ist los in der SPD Rheinland-Pfalz? Die inhaltliche Arbeit ist eingestellt, stattdessen vergeht keine Woche ohne Meldung, dass die Parteispitze und Frau Dreyer aus den eigenen Reihen für ihre Politik angegangen werden.“
Es ist bereits die zweite verbale Breitseite Weingartens gegen seine Parteispitze binnen weniger Wochen. Doch statt von den Genossen in Roxheim für seine provokanten Aussagen kritisiert zu werden oder sich Kontrameinungen einzufangen, fanden seine Ansichten weitgehend Anklang im kleinen Parteikreis. Vor allem beim Thema Migration. Zimmer schreibt daher: „Als Einzelmeinung kann man das nicht mehr abtun.“
Undurchsichtig bleibt indes die Position des Kreisverbandsvorsitzenden Denis Alt. Öffentlich hat sich aus dem Kreis Bad Kreuznach bislang lediglich der Presseverantwortliche Michael Simon zu den Aussagen Weingartens geäußert – und sie zwar als „zugespitzt und polarisierend“ bezeichnet, in vielen Punkten aber zugestimmt. Laut Simon „in Abstimmung mit Denis Alt“, der aber selbst bisher still blieb. Zimmer teilt daher mit: „Vielsagend ist auch das Schweigen des Landtagsabgeordneter Dr. Denis Alt, dem SPD-Vorsitzenden des Kreisverbandes, aus dem die Kritik an Frau Dreyer am lautesten kommt. Seiner Ministerpräsidentin springt er nicht zur Seite, taucht stattdessen ab.“
Auch die Junge Union stimmt in den Kanon der Verwunderung über die Kreis-SPD mit ein – und kommentieren via Twitter Weingartens Wortwahl: „Der ehemalige SPD-Bundestagskandidat teilt Flüchtlinge in Gruppen ein und nennt eine davon ernsthaft (!) ,Gesindel‘. Ist das die neue Sprache der rheinland-pfälzischen SPD?“ Ein Tweet, den die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) von der Hauptstadt aus übrigens umgehend geteilt hat. Wie gesagt, die SPD aus dem Kreis Bad Kreuznach sorgt derzeit für mächtig Aufruhr – von Mainz bis Berlin.