Flächendeckende Corona-Ausbreitung im Kreis Bad Kreuznach?
Im Landkreis sind weitere neun Coronavirus-Fälle bekannt geworden. Die Betroffenen stehen unter häuslicher Quarantäne. Eine Ausbreitung droht dennoch.
Von Helena Sender-Petry
Stellvertretende Leitung Lokalredaktion Bad Kreuznach
(Foto: Gilang Prihardono - stock.adobe)
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BAD KREUZNACH - Der Landkreis erwartet „eine flächendeckende Ausbreitung“ des Coronavirus. Denn der 47-jährige Mann aus Langenlonsheim, der am Dienstag positiv getestet wurde (wir berichteten), war in den vergangenen beiden Wochen trotz Krankheitssymptomen in der Region unterwegs. „Es ist davon auszugehen, dass er das Virus bereits verteilt hat“, heißt es in der Pressemeldung der Kreisverwaltung. Angesteckt habe sich der Mann vermutlich in Tirol.
„Schon in der Nacht (zum Mittwoch, Anm. d. Red.) wurden uns weitere, nachgewiesene Erkrankungsfälle gemeldet“, informiert Dr. Ernst-Dieter Lichtenberg, Leiter des Gesundheitsamts. Bis Mittwoch um 14.30 Uhr stand fest: Bei zehn im Landkreis Bad Kreuznach lebenden Personen wurde das Coronavirus nachgewiesen. „Die erkrankten Personen befinden sich in häuslicher Quarantäne“, heißt es auf Anfrage. Das Gesundheitsamt sei derzeit damit beschäftigt, die möglichen Infektionsketten aufzuklären. „Ob die Ansteckung durch den Ersterkrankten aus Langenlonsheim erfolgte, wird aktuell durch unsere Hygieneinspektoren nachvollzogen“, sagt Lichtenberg. Eine Klinikeinlieferung sei zumindest bisher noch in keinem Fall notwendig geworden.
Auch der Sohn des Infizierten und seine Ehefrau zeigten Symptome. Ob es sich um den Coronavirus handelt, steht erst am Donnerstag fest. Wie berichtet, besucht der Sohn das Gymnasium am Römerkastell. Um eine mögliche Ausbreitung zu verhindern, wurde am Dienstagnachmittag nicht nur das Gymnasium, sondern auch die IGS Sophie Sondhelm – die Schüler beider Schulen teilen sich eine Mensa – geschlossen.
„Einzig die teils aufkeimende Panik ist aktuell verunsichernd“, macht Lichtenberg deutlich. Auch wenn natürlich ein generelles Infektionsrisiko gegeben sei, bestehe derzeit absolut kein Anlass dazu, andere Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder weitere Schulen zu schließen. „Sofern sich an dieser Lageeinschätzung unseres Gesundheitsamtes etwas ändert, werden wir unverzüglich mit den Trägern der Einrichtungen in Kontakt treten“, verspricht auch Landrätin Bettina Dickes. „Der schlechteste Ratgeber ist Panik, von daher bitte ich auch in Richtung der Entscheidungsträger vor Ort darum, die Ruhe zu bewahren. Es ist ganz wichtig, dass das staatliche Handeln stabil fortgeführt wird“, unterstreicht die Landrätin. Dies sei auch in der Kreisverwaltung der Fall. „Unsere Ämter arbeiten regulär weiter, wir sprechen von Corona, nicht von Ebola“, verdeutlicht Dickes.
Lichtenberg fügt hinzu: „Bei etwa 80 Prozent der Infizierten treten keine besonderen, teils gar keine Symptome auf. Auch die Genesung ist in aller Regel unproblematisch. Sie können das Virus aber verbreiten, was die Eingrenzung sehr schwer macht, zumal das Virus auf Oberflächen bis zu neun Tagen ansteckend bleibt“. Schwerer betroffen sein können aber gefährdete Gruppen mit höherem Alter oder schwerwiegenden Vorerkrankungen. Diesen Personengruppen rät der Amtsarzt zur besonderen Vorsicht. „Insgesamt gilt aber weiterhin für alle: Abstand halten, eine gute Handhygiene durchführen und nicht notwendige Veranstaltungen verschieben.“
Außer bei den beiden rein vorsorglich geschlossenen Schulen, dem Gymnasium am Römerkastell und der IGS Sophie Sondhelm, besteht nach Einschätzung des Gesundheitsamtes zum jetzigen Zeitpunkt kein Anlass, weitere Schulen oder Kitas zu schließen.
Die Schüler beider Schulen befinden sich laut Kreisverwaltung nicht in Quarantäne. Wann die beiden Schulen wieder geöffnet werden, entscheidet sich nach Vorliegen des Testergebnisses des Sohnes des Erkrankten. Sofern eine längerfristige Schließung der Schulen notwendig wird, laufen bereits jetzt Vorbereitungen, die mündlichen Abiturprüfungen an anderer Stelle stattfinden lassen zu können.
Vorlesungszeit an Mainzer Universität beginnt berets am 14. April
Wie berichtet, soll in jedem Fall rheinland-pfälzischen Schülern, die das Abizeugnis verspätet bekommen, kein Nachteil beim Übergang zur Universität entstehen, betonte ein Sprecher des zuständigen Wissenschaftsministeriums, der von einer „flexiblen Handhabung“ sprach. An der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität beginnt die Vorlesungszeit zum Beispiel schon am 14. April, das Abiturzeugnis muss bis 6. April vorliegen. Das könnte ohne Kulanzregel zum Problem werden. Noch schwieriger wird es möglicherweise für Erstsemester, die in andere Bundesländer oder ins Ausland gehen wollen. Die Kultusminister der Länder wollen sich wegen der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 für die bevorstehenden Abiturprüfungen wappnen, berichtet Spiegel online. Bei der Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag und Freitag in Berlin würden sich die Kultusminister der Länder „intensiv zum Umgang mit dem Coronavirus austauschen“, sagte KMK-Präsidentin Stefanie Hubig den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dabei soll es insbesondere um die Frage gehen, wie das Abitur 2020 unter diesen Bedingungen stattfinden könne. Das betreffe die schriftlichen Prüfungen mit den zentralen Elementen sowie die Termine für das mündliche Abitur.
Denkt die Kreisverwaltung beziehungsweise das Gesundheitsamt bereits konkret an sogenannte Fieberambulanzen, wo Patienten außerhalb des regulären Praxisbetriebes untersucht werden können? Kreissprecher Benjamin Hilger bleibt zurückhaltend: „Aktuell ist das nicht geplant.“ Was nicht bedeute, dass die Kreisverwaltung auch dieses Szenario nicht im Blick hätte, sollte es tatsächlich notwendig werden.