Jerry-Express fährt auf Gleis Neundreiviertel ab

Frisch von der französischen Zauberschule „Beauxbatons“ angereist, verzauberten die „Traumtänzerinnen“ der Jerry-Garde das Publikum auf Hogwarts und ließen auf der Bühne Charme und Funken sprühen. Foto: Nathalie Doleschel
© Nathalie Doleschel

Hogwarts und der Zauberlehrling: Harry-Potter-Fans kommen bei Prunksitzung der Jerrys in Bad Kreuznach voll auf ihre Kosten

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WINZENHEIM. Dumbledores Bart hielt nicht lange: In der zweiten Halbzeit der ersten Jerry-Prunksitzung tauchte Sitzungspräsident Heiko Krafft mit typischen Wallebart und Wallehaar-Frisur des Hogwarts-Schulleiters auf, bereit, seine Zauberkünste zugunsten der holden Narretei einzusetzen. „Tut mir leid, ich schwitze mich tot!“, sagte „Dumbledore“ Krafft nach wenigen Minuten, und schwupps waren Bart und Perücke wieder ausgezogen. Das war einer der vielen lustigen, weil nicht geplanten Momente der Kampagne „Ein Kelch, die Kammer und der Stein, die Jerrys ziehen in Hogwarts ein“; ein zauberhaftes Motto für alle Harry-Potter-Fans, die sich im Winzenheimer Sportheim einfanden. In der Hogwarts-Bibliothek nahmen unter anderem Harry Potter (Eric Lippert), Arthur und Ron Wisley (Thomas und Sascha Stoy), Sirius Black (Rainer Wittig) und Remus Lupin (Peter Hönes) Platz. Auch ein Rebeus Hegrid (Carsten Fetter), der sein üppiges Haupthaar übrigens aufbehielt, und Alastor „Eye“ Moody (Claus Schmitt) boten mit detailreichen Kostümen etwas fürs Auge.

Nach Protokollarius Till (Michael Nies), der den Klimawandel, Katholische Kirche, AfD oder Julia Klöckner wieder feinhumorig justierte und köstliche Anekdoten über seinen Bruder Ernst-Walter zu berichten wusste, machten die kleinen Eulchen der Tanzgruppe „Konfettis“ den Auftakt. In weißen Federumhängen schwebten die Kinder unter der Leitung von Kathrin Mengel und Stephanie Schmidt elfengleich über die Bühne, begleitet von Ersatz-Zauberer Tom, der den erkrankten Max vertrat.

Das erste wortgewaltige Schwergewicht des Abends trat mit Christian Nies auf: Der Schaffner im Zug nach Hogwarts fuchtelte sich mit Kokolores und Kelle den Frust über die Zauberbahn-AG vom Leib, warnte vor Zauberstabhehlern und dubiosen Zaubertrankhändlern am „Kriminalitätshotspot Bahnhof“ und verlor über das ausgedehnte Harry-Potter-Merchandising – „Die Voldemort-Nase zum Selberbauen? Wer’s hier nit weiß, der dunkle Lord hat gar kee Nos!“ – nicht nur die Geduld, sondern auch die Bahnführermütze und den aufgeklebten Schnurrbart – ein Heidenspaß für alle Passagiere an Gleis Neundreiviertel. „Thank you for travelling with Zauberbahn-AG“ hieß es da nur noch, und weiter ging’s mit der ausgesprochen fitten Garde und dem „Nachtwächter Ü50“ (Thomas Stoy), der die Winzenheimer Gäste zu willfährigen Vollendern seiner gebetsmühlenartigen Sprüche machte und literarisch wertvoll über die potenzsteigernde Wirkung von Vollkornbrot aufklärte.

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Mit gewohnter Schnodderschnauze und viel „Attacke!“ beendete Gerti Trierweiler als „Frau Schippenstiehl“ die erste Halbzeit mit einem London-Call mit „es Lisbeth“ und Grüßen von Hogwarts in den Buckingham-Palast – so long, es ging in die zweite Halbzeit. Thomas „Fuzzy“ Butzbach knüpfte mit magischem Blick an Gerti Trierweilers Brexit-Vorlage an und hielt nicht nur den Briten, sondern auch Harry & Meghan, Heidi Klum, Donald Trump und Greta Thunberg den Spiegel vor. Dabei hatte der „Magier Thomas aus Paris“ manche Wahrheit auf der Karte, wie etwa diese: „In Wasser, Bier und Woi, da ist nicht nur mehr CO2!“ und erntete für seine Sicht auf Fridays for Future stürmischen Beifall: „Kinder bleibt ruhig und cool und geht mal wieder in die Schul!“. Weiter ging’s mit der maulenden Myrte, die aus dem selbstgebauten „Toilettchen“ mit ihrem Verflossenen, Lord Voldemort, in einem köstlichen Wortduell um die Deutungshoheit der gescheiterten Mann-Frau-Beziehung und über die hohe Durchfallquote in der Kammer des Schreckens, dem Damenklo, stritt.

Nach diesem originellen Auftritt von Vater und Tochter Jörg und Alice Meyer brachten die „Traumtänzerinnen“ unter Regie von Kerstin Saueressig den Saal vollends zum Kochen. In blauer Schuluniform der französischen Mädchenschule „Beauxbatons“ wirbelten die Tänzerinnen der Garde zu französischem Pop über die Bühne und bereiteten den stotternden „Spallern“ Mike Butzbach und Sascha Stoy sowie „Schlussmacher“ Eric Lippert nach vier Stunden Harry Potter-Mania einen zauberhaften Abgang.