Würde nur jede fünfte innerstädtische Autofahrt von kurzer Distanz (zwei bis fünf Kilometer zu Arbeitsstätte, Arzt, Wochen- oder Supermarkt etc.) unterlassen und...
BAD KREUZNACH. Würde nur jede fünfte innerstädtische Autofahrt von kurzer Distanz (zwei bis fünf Kilometer zu Arbeitsstätte, Arzt, Wochen- oder Supermarkt etc.) unterlassen und stattdessen gelaufen oder geradelt, dann gäbe es 9000 Kfz-Fahrten pro Tag weniger in Kreuznach. Eine erhebliche Entlastung fürs Klima der Kurstadt, für Straßen und Menschen wäre dies. Ein Umdenken endlich in Gang bringen soll die Mobilitätsstation, die Stadtplaner Bettino Hans Gagliani und Umweltbeauftragte Bärbel Germann für die Stadt quasi gewonnen haben (AZ berichtete).
Details zur Station stellte Germann im Rahmen der Info- und Diskussionsrunde von Bündnis 90/die Grünen im Bistro des IB vor, nachdem Dr. Michael Frehn, Mitverfasser des Integrierten Verkehrskonzeptes Bad Kreuznach, Erkenntnisse und Lösungsansätze des IVEK zahlreichen Gästen noch einmal in Erinnerung gerufen hatte.
Was sich seit den Erhebungen der Stadt- und Verkehrsplaner 2014 und auch davor in Sachen Fahrradverkehr in der Stadt getan habe, das erfolge meist im Schneckentempo, bedauerte Stephanie Otto, Sprecherin und Vorstandsmitglied des Ortsverbandes der Grünen. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, sichere und schnelle Radwege auch aus den Stadtteilen in das Zentrum zu schaffen. Nur so seien auch Familien zum Umsatteln zu bewegen und Eltern dazu zu ermutigen, ihr Kind auch mal per Rad in die Stadtbücherei oder ins Schwimmbad fahren zu lassen. Derzeit meist undenkbar, weil es zu viele Hindernisse und Hemmschwellen gibt.
Radweg durchs Salinental von Pendlern kaum genutzt
Aus der Versammlung gab es einige Kritik. Dazu zählten meist zu hohe Bordsteine, unzählige Schlaglöcher, Kreuzungsbereiche, die einen durchgängigen Fahrfluss verhinderten oder Kreisel, die Autofahrern beinahe gerade Durchfahren ermöglichten. Allerdings gab es aus den Reihen der Diskussionsteilnehmer, die zum Kreis derer hören, die regelmäßig auf den Drahtesel steigen, auch Unverständnis darüber, dass Radwege nicht genutzt werden. Unter anderem darüber, dass kaum Pendlerverkehr auf der idyllischen Radstrecke zwischen Bad Münster und Innenstadt herrsche. Die Mobilitätsstation, für die eine Bauzeit von rund zweieinhalb Jahren eingeplant ist, soll das Tempo in Sachen Schaffung besserer Infrastruktur, sicheres und ausgeweitetes Radwegenetz sowie einer durchdachten Anbindung des Radverkehres an die Station forcieren.
Die Station, für deren Bau das alte Bahnpolizeigebäude in Richtung Hauptpost abgerissen wird, wird rund 1,85 Millionen Euro kosten. 90 Prozent der Kosten trägt der Bund, es ist der gewonnene Preis für Kreuznach als einer der Sieger des Bundeswettbewerbes „Klimaschutz im Radverkehr“. Germann geht davon aus, dass die Stadt trotz Spar-Auflagen der ADD das Projekt Anfang 2018 mit dem Spatenstich starten kann. Die Beteiligten erhoffen sich von der Mobil- und Info-Station eine Signalwirkung für mehr Radverkehr in der City und für die Umsetzung von vielen, meist schon lange geforderten Verbesserungen in Kreuznach. Wieder angesprochen wurde die Nutzung von (breiten) Bürgersteigen auch von Radlern, die Ausweisung von reinen Radstraßen oder eine Wiederanlage eines Weges vom Löwensteg direkt zum Bahnhof entlang der Gleise. Wie ein komplettes Umschalten aussehen kann, das führte Frehn auch anhand von einem für Kreuznach utopisch anmutenden Vorbild auf: Die Stadt Utrecht hatte sich schon vor 25 Jahren zugunsten des Radverkehres umorientiert. Autos sollten aus der Innenstadt raus, Menschen rein. In Utrecht erhielt zum Beispiel eine Unterführung, die der Kreuznacher am Europaplatz nicht unähnlich war, ein komplett neues Gesicht: sie wurde zu einem hübsch beleuchteten See.
Viele der Anregungen und Kritikpunkte notierte Stephanie Otto für künftige Ausschüsse, Ratssitzungen oder Diskussionen mit dem LBM, der einmal mehr als Verhinderer von Radwegen rund um die Ochsenbrücke und auf der Wilhelmstraße ausgemacht wurde. Es herrschte Übereinstimmung, dass nur dann mehr Leute das Auto stehen lassen, wenn sie sicher und direkt zur Mobilstation kommen und dort schnell in Züge oder Busse umsteigen können.