Mal zart, mal explosiv: Das Ensemble Audace huldigte beim Heidenturmkonzert der reinen Wiener Klassik.
Von Viktoria Selbert
Das junge Ensemble Audace spielte in der evangelischen Kirche Dittelsheim.
(Foto: BilderKartell/Boris Korpak)
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DITTELSHEIM-HESSLOCH - Schon wieder Beethoven – das mochte man geneigt sein zu denken beim Blick auf das Programm des „Heidenturmkonzertes“ in der evangelischen Kirche Dittelsheim. Doch mit dem Titel „Reine Wiener Klassik“ huldigte das Ensemble Audace nicht primär dem Großmeister im Jubiläumsjahr, sondern widmete sich einem Stil, der besonders großartige Werke für Streichquartett hervorgebracht hat.
Die Gruppierung, die seit 2017 besteht, setzt sich aus Musikern des Nationaltheaters Mannheim, der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen und des hr-Sinfonieorchesters zusammen. Mitgebracht hatten sie Beethovens „Streichquartett F-Dur op. 18 Nr. 1“ von 1799 und Franz Schuberts „Streichquintett C-Dur, D 956, op. posth. 163“, komponiert 1828, Erstaufführung 1850. Die Akustik in der Kirche ist für diese Art von Musik ideal, alle Stimmen erhalten ihre autonome Präsenz, wie es grundsätzlich das Wesen des Streichquartetts ist: die Königsdisziplin der Kammermusik mit einer Konversation zwischen vier gleichberechtigten Stimmen.
Ein Fest für die Ohren
Im Quintett blieb diese Charakteristik ebenfalls erhalten, indem die Celli gedoppelt waren, was einen ganz besonderen Reiz bei dieser Schubert-Komposition ausmacht. Der junge Beethoven hatte sich mit seinem ersten Streichquartett den Weg zur angesehensten Kammermusikgattung der Wiener Klassik gebahnt zu einem die formalen Vorgaben erweiternden Ansatz, mit polyphoner Durchdringung und pathetischer Überhöhung. So präsentiert er das Hauptthema in fast jedem Takt in immer neuen Varianten, und in der Endfassung brachte er eine rigorose Polyphonie hinein. Der 2. Satz, „Adagio affettuoso ed appassionato“, erklingt mit pathetischem und melodischem Duktus in einer dynamischen Spanne, die vom absoluten Pianissimo bis zum Fortissimo reicht, voller sprechender Motive und orchestraler Klänge, was das Ensemble Audace beispielhaft realisierte, auch wenn die erste Geige im Gesamtklang immer wieder etwas zu forciert erschien. In Schuberts einzigem Streichquintett, komponiert wenige Monate vor seinem Tod, sind in einer einmaligen Weise alle Qualitäten seiner reifen Instrumentalmusik gebündelt: sinfonische Form, entrückte Klangschönheit und dramatische Kontraste.
Dementsprechend hätte man sich auf dem Programmzettel über die Satzbezeichnungen hinaus kurze weitergehende musikalische Hintergrundinformationen zu den Werken gewünscht, wodurch intensiveres Zuhören und noch größerer Genuss möglich gewesen wären. Ungeachtet dessen war ein Fest für die Ohren in diesem Konzert zu erleben und mit dem Ensemble Audace eine neue Entdeckung in der Klassiklandschaft, von der hoffentlich noch viel zu hören sein wird. Die Künstler, vom Alter her in den Dreißigern, bieten Qualität vom Allerfeinsten und sind in der Lage, Meisterkompositionen meisterlich zu interpretieren. Der Klang des Ensembles ist traumhaft fein, von seidig zart über brillant bis hin zu hochdramatisch und – bei Schubert – explosiv.
Das Zusammenspiel besticht durch perfekte Synchronizität wie höchste Sensibilität. Tiefe Emotionalität und Liebe zur Musik prägen das Spiel von Maximilian Junghans und Felix Wulfert (Violine), Alexander M. Petersen (Viola), Eun-Ae Junghans und Hoang Nhuyen (Cello), das mit stehendem Applaus belohnt wurde. Der Wunsch etlicher Besucher nach einer CD wird demnächst erfüllt werden, denn in Kürze nehmen die fünf Ausnahmemusiker das Schubert-Quintett auf.