Reiner Weimerich singt als „Margo“ in Wörrstadt Chansons der 1920er und 1930er Jahre
Von David Rech
Begleitet von Ernst Seitz am Piano sang Reiner Weimerich beim Gesangverein Wörrstadt französischen Chanson der 1920er und 1930er Jahre und führte die Zuhörer musikalisch zurück in verruchte Kabaretts. Foto: photoagenten/Axel Schmitz
( Foto: photoagenten/Axel Schmitz)
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WÖRRSTADT - Reiner Weimerich steht im Proberaum des Gesangvereins Wörrstadt. Setzen kann er sich nicht. „Das ist ein Stehkleid“, verrät Ernst Seitz. Langsam zieht Weimerich die langen schwarzen Wimpern von seinen Augenlidern, die Perücke hat er sich schon längst vom Kopf gerissen. Zu heiß sei das alles. Stück für Stück schält er sich aus seinem Show-Charakter heraus. Bis auf das lange Kleid, das vor einer halben Stunde noch für ein langes, vielstimmiges „Wow“ gesorgt hat, landen die letzten Überbleibsel von „Margo“ auf dem Tisch neben ihm. Das Kleid ist ein Kunstwerk für sich. Bodenlang und knallgrün, der Ausschnitt und die Ärmel in Spitze und ein wallender Abschluss im Meerjungfrau-Stil. Ein Kunstwerk. Genau wie Margo, die als erster Star des Kalenderjahres zu „Kultur im Haus“ die Bühne des Gesangvereins Liederkranz betritt.
Der Opernsänger schuf die Figur vor zehn Jahren
Mikrofon braucht sie keins, mit ihrer beeindruckenden Stimmkraft füllt sie den Raum ohne Probleme. Margo trägt ein langes schwarzes Kleid, als sie die Bühne zum ersten Mal betritt. Ihre knallroten Lippen sind perfekt auf den Nagellack abgestimmt. Sie greift nach der Champagnerflasche, die neben ihr steht, und schenkt sich ein Glas ein. Zu ihrer Rechten – im Smoking – sitzt Ernst Seitz, der sie am Klavier begleitet. Es geht zurück in die 1920er und 1930er Jahre, zurück in verruchte Kabaretts mit elegant gekleideten Menschen und französischem Chanson. Als Frau von Welt versteht Margo so einiges von Eleganz, Kleidung – und natürlich von Männern. Mit Chansons von Ralph Benatzky, Günter Neumann, Robert Stolz und Otto Reuter klärt sie in ihrem Programm die Fragen aller Fragen: „Was zieh’ ich heute an?“
Unter der Perücke und den funkelnden Ohrringen singt Reiner Weimerich seit über zehn Jahren schon als Margo. Er klingt ein bisschen überrascht, beinahe fassungslos, als er diese Zahl ausspricht. Weimerich kommt vom Mainzer Staatstheater. Als Sänger wirkt er schon seit vielen Jahren an dem Theater mit. Musikalisch wurde er als Kind schon mit Klavierunterricht erzogen, doch beruflich zog es ihn erst in eine andere Richtung. So wurde der gebürtige Saarländer erst Gärtner, bis er irgendwann den Weg zurück zur Musik fand und mit Ende 20 noch einmal den Beruf wechselte. Heute steht er, so oft es der Terminplan des Theaters erlaubt, als Margo auf der Bühne.
SO GEHT ES WEITER
In Rheinhessen steht Margo das nächste Mal am Mittwoch, 6. Juni, in Nierstein-Schwabsburg auf der Bühne. „Kultur im Haus“ feiert seine nächste Veranstaltung mit „Tango Transit“ am Samstag, 16. Juni.
Die Idee für die Diseuse kam ihm nach einem Soloprogramm, das er im Theater aufgeführt hatte. Von einer „Chordiva“ hatte er dort erzählt. Die Resonanz war so gut, dass er Margo erschuf. „Eine Parodie wollte ich nicht machen, ich wollte eine eigene Figur erfinden“, erzählt Weimerich. Mit Travestie habe sein Programm aber nichts zu tun. Es sei ein Chansonabend, und er trage halt ein Kleid, sagt er locker.
Für Wörrstadt wird es dennoch etwas Neues gewesen sein. Dass unter den eleganten Kleidern ein Mann steckt, hat hier der eine oder andere Zuhörer erst in der Pause mitbekommen.
Die Veranstaltungsreihe „Kultur im Haus“ wurde vergangenes Jahr ins Leben gerufen. Das Vereinshaus, das für große Konzerte zu klein sei, sollte mehr einbezogen werden, erzählt Vorsitzende Beate Petry. In Wohnzimmeratmosphäre stehen nun dreimal im Jahr verschiedene Künstler auf der Bühne. Die Resonanz sei sehr gut, sagt Petry. Auch Margo bekommt stehende Ovationen und ein tobendes Publikum, das sie für eine Zugabe noch einmal auf die Bühne zurückholt.