Pfarrer Martin Krieger (stehend) würzte den Abend mit Gedanken zur Reformation. Foto: pa/Axel Schmitz
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SPIESHEIM - Im Hof vom Partyservice Westenberger nehmen die letzten Gäste ihre Plätze ein, die Gastgeber kredenzen ein Glas Würzwein. Ein solches Getränk, mit Nelken, Zimt und Ingwer, gab es schon zu Luthers Zeiten und passt zum Thema des Abends: „Reformation häppchenweise“.
„Vielleicht sind wir, mein Mann Uwe und ich, ein modernes Paar, wie es seinerzeit Martin und Katharina waren“, mutmaßt Petra Westenberger und bezieht sich dabei auf die legendäre Gastfreundschaft im Hause Luther. „Wie viele Veranstaltungen zum Lutherjahr ist auch dieser Abend ein Experiment“, meint Pfarrer Markus Krieger, der einen dicken Bücherstapel mitgebracht hat und mit Gedanken zur Reformation zu den „Häppchen“ beitragen will.
Der Gedanke, das Lutherjahr mit der Kombination von zeittypischem Essen und Informationen zu Luther und dessen Umfeld zu begehen, kam dem Ehepaar Westenberger bei der Reise der Kirchengemeinde nach Wittenberg zur Weltausstellung der Reformation. Aus dem Buch „Zu Tisch bei Martin Luther“ (Autorin: Alexandra Dapper) stammen die Ideen zur spätmittelalterlich-gutbürgerlichen Küche, mit denen die Westenbergers den kulinarischen Teil des Abends bestreiten.
„Mittwoch – heute ist ein Fastentag“, stellt Petra Westenberger fest. „Zu Luthers Zeiten war es üblich, an diesem Tag eine Mehlspeise auf den Tisch zu bringen.“ Westenbergers servieren eine Käsesuppe mit Pflaumenmus, dazu „Mönchsbrot“, aus altbackenem Brot mit Ei. Krieger zitiert einen Luther-Aphorismus: „Für die Toten Wein, für die Lebenden Wasser, das ist eine Vorschrift für Fische.“
Als Referent ist Siegfried Krieger eingetroffen, Vater des hiesigen Pfarrers und selbst Pfarrer im Ruhestand. „Martin Luther hat mitnichten als Erster die Bibel übersetzt“, beginnt sein Exkurs über die Vorläufer des Reformators, Petrus Valdes (1140 bis 1217, John Wydif (circa 1330 bis 1384) und Jan Hus (1372 bis 1415). „Luther kannte Hus und hat ähnlich wie er argumentiert.“
Nahrhaft geht es weiter: „Wer weiß, was Luthers Leibgericht war?“ Westenberger kredenzt Erbsenpüree und Brathering. Dazu gibt es Bier, wie im Mittelalter üblich, vor Ort natürlich Volkerbräu. Als Nächstes ergreift Krieger Junior das Wort und führt die Zuhörer durch die wechselhafte Geschichte der Zeit des „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation“ und der politischen Situation mit Kaiser und Papst als maßgebliche Machthaber. „Die Freiheit, die die Reformatoren im Schutz der Fürsten genossen, war in erster Linie den außenpolitischen Problemen verdankt.“ Spannend, wie Krieger Verbindungen zieht und Ereignisse verknüpft.
Nicht minder interessant ist der Beitrag von Tobias Schmuck, den Krieger vorträgt, da der Autor selbst, promovierter Historiker und in der reformierten Kirche verortet, wegen Krankheit verhindert ist. Schmuck dokumentiert die zweite Generation der Reformatoren am Beispiel von Girolamo Zanchi (1560 bis 1590).
Zuvor kommt ein Fleischgericht aus der Westenberger’schen Küche: gewürzte Bratklopse, dazu ein mit Verjus angemachter Endiviensalat mit Gerstengraupen, von Petra Westenberger fachkundig erläutert. Den Abschluss bildet ein Pudding mit Mohn auf feinem Apfelpüree, dazu ein Malvasier, wie Luther ihn schätzte. Ein gehaltvoller Abend also – nur „Häppchen“ waren dies alles nicht, sondern sowohl an Wissen als auch an Speisen mindestens ein komplettes Menü.