Saulheim: Von der „Zwangsehe“ zum glücklichen Paar
Vor 50 Jahren als Zweckgemeinschaft entstanden, feierten die Saulheimer nun äußerst zufrieden goldene Hochzeit. „Mir honn alles, was mir brauche“, sagte Ortsbürgermeister Fölix.
Von Jochen Werner
Mit Inbrunst huldigte auch der Saulheimer Männerchor dem 50-jährigen Bestehen der Gemeinde.
(Foto:BilderKartell/Axel Schmitz)
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SAULHEIM - Längst nicht jede Beziehung, die als Zweckgemeinschaft beginnt, feiert nach 50 Jahren zufrieden goldene Hochzeit. „Saulhem“ schon. Dabei war der Zusammenschluss 1969 im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform alles andere als eine Liebesheirat. „Es is’ aber alles gut gang“, resümierte Ortschef Martin Fölix in seiner Festrede zur Feierstunde am Samstag in der Sängerhalle zufrieden. Rückblickend erscheinen eben viele Bedenken und Animositäten eher zum Schmunzeln.
Saulheim prosperiert. Dass es einmal Nieder- und Ober-Saulheim als eigenständige Gemeinden gab, wissen viele Neubürger in der auf knapp 8000 Einwohner angewachsenen Kommune nicht mehr. Umso wichtiger ist die Rückbesinnung auf das, was trotz der anfänglichen Schwierigkeiten zusammen erreicht wurde. Was ursprünglich aufoktroyiert wurde, ist längst zusammengewachsen. Genauso wie die Verbindung zwischen Tradition und Moderne, zwischen Alt und Jung, wie es die verschiedenen Gesangs-, Musik- und Tanzgruppen bei der Jubiläumsfeier zeigten. Die ehemalige Sängerhochburg Saulheim, die früher drei Männerchöre beheimatete, hat in vielen Punkten dazugelernt, ohne an Qualität einzubüßen. Mit der Zeit gehen – das ist wichtig.
„Wo fang ich an, wo her ich uff? Wie lang mach ich?“ Der Ortschef beantwortete sich alle Fragen selbst. So, wie man ihn kennt. Engagiert, originell und ein bisschen kauzig, aber immer authentisch und sympathisch. So, wie die Schnut gewachsen ist, und vor allem aus erster Hand und aus den Erinnerungen eines Mannes heraus, der die gesamte Zeit miterlebt hat. Fölix’ Festrede wurde zu einem Rückblick mit vielen Anekdoten, zu einer Reise durch die vergangenen fünf Jahrzehnte, bei der kein Blatt vor den Mund genommen, auch Landrat Ernst Walter Görisch spontan einbezogen wurde. Das Beste gab’s mittendrin: „Mir honn eigentlich alles, was mir brauche“, sagte der 73-Jährige, blickte dabei etwa auch auf den Autobahnanschluss, der vor seiner Fertigstellung längst nicht nur Befürworter gefunden hatte.
Es sind immer die Pros und Contras, die abgewogen werden wollen. Und die dann oft zu verblüffenden Ergebnissen führen. So, wie bei der Saulheimer Feuerwehr. Dass die Ober- und Nieder-Saulheimer Wehren anfangs nicht zusammengehen wollten, scheint im Jahr 2019 unvorstellbar. „Heute sind wir glücklich“, so Fölix, schilderte das Drama mit der Dorferneuerung, als Saulheim sogar im Schwarzbuch der Bundesregierung landete und bekam spontanen Applaus der über 300 Gäste in der pickepackevollen Halle bei der Schilderung der Entstehung der Seniorenresidenz. Drei Redner traten unter der Moderation von Max Fölix ans Mikrofon. Außer dessen Großvater waren das Görisch, VG-Chef Markus Conrad und Wolfgang Rüttgens, Vorsitzender des Vereinsrings. Nicht alles aus dem Ärmel schütteln, sondern immer schauen, wie Dinge finanziert und umgesetzt werden können, das war deren eine Botschaft. Die andere, abseits von ständig steigenden Anforderungen, Gewerbeparks und Baugebieten: die menschliche Seite. Der Blick in vergangene Zeiten, als die Gass vor dem Bau der neuen Wasserleitungen samstags noch geschwenkt wurde. Kartoffeln oder Krumbeere? Die Endungen „-je“ oder „-sche“? Das spielt fast keine Rolle mehr. Was Nieder- und Ober-Saulheim trennte, ist längst verwischt. Es gilt, sich neu aufzustellen, mit der Zeit zu gehen, gleichzeitig die Identität zu bewahren.
Knapp vier Stunden lang bewiesen das die Saulheimer am Samstagabend – inklusive „Nachtwächter“ Michael Brodrecht und Ritter Hundt alias Christoph Fölix und den musizierenden und singenden Ortsvereinen und Chören. Wie bei einer echten goldenen Hochzeit eines glücklichen Paares eben.