Die Antifa hat mit einer Tradition gebrochen: In Wöllstein protestierte sie gegen die Aktivitäten eines ortsbekannten Rechtsextremen, statt "nur" mit einer Gegendemo zu reagieren.
Von Christine Bausch
Reporterin Rheinhessen
Bis zu 120 Demonstranten hatte das Antifaschistische Bündnis Mainz gemeldet, deutlich weniger waren nach Wöllstein gekommen. Allerdings schlossen sich einige Bürger spontan dem Demonstrationszug an.
(Foto: pakalski-press/Axel Schmitz)
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WÖLLSTEIN - Normalerweise, das betonten auch die Redner in Wöllstein, reagiert das Antifaschistische Bündnis (Antifa) Mainz, wenn in Rheinhessen rechte Versammlungen und Aufmärsche angemeldet werden. Doch diesmal waren sie selbst der Anlass für ein großes Polizeiaufgebot im Ortskern. Das linke Bündnis wollte gegen die Aktivitäten eines bekannten Wöllsteiner Neonazis und seiner Mitstreiter protestieren. Der ist neuerdings stellvertretender Bundesvorsitzender der rechtsextremen Partei „Neue Stärke“, die bereits seit ihrer Gründung vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Rechtsextremen hatten zeitlich versetzt eine Gegendemonstration angemeldet – als stationäre Versammlung.
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Und so trafen am Samstagnachmittag Demonstranten der linken Szene in der Kreuznacher Straße – die Wormser Polizei spricht von einer Teilnehmerzahl im mittleren zweistelligen Bereich – auf etwa 15 bis 20 rechte Versammlungsteilnehmer. Auf beiden Seiten also deutlich weniger als angemeldet. Polizeibeamte, auch sie in mittlerer zweistelliger Zahl im Einsatz, sorgten dafür, dass es beim Aufeinandertreffen in Sicht- und Hörweite blieb. An der Kreuzung von Kreuznacher, Alzeyer und Ernst-Ludwig-Straße gab es zunächst eine kleine Kundgebung des Antifa-Bündnisses mit Sprechchören und kurzen Reden, in denen betont wurde, dass jedes Menschenleben gleich viel zählt, egal, ob Einheimischer oder Ausländerin. Beleidigungen im Schwimmbad habe es schon gegeben, auch Ehrenamtliche, die sich etwa für Flüchtlinge engagieren, würden angefeindet. „Ihr seid nicht allein, ihr seid in der Mehrheit“, riefen sie den Wöllsteinern zu und ermunterten sie, sich dem Aufzug durch den Ort anzuschließen. Was laut Markus Winter von der Polizei in Worms auch einige getan hätten. Rheinhessen solle nazifrei werden, begründete die Antifa ihr Engagement, die Demonstranten, die meisten mit Maske, riefen den Rechten zu: „Ihr werdet in Rheinhessen keinen Fuß fassen!“ Was von jenen hinter der Absperrung mit „Haut ab“-Rufen quittiert wurde.
Nur einmal kam es zu einer kurzen Rangelei, als ein Teilnehmer aus der linken Szene versuchte, mit seiner Kamera hinter das Absperrgitter in den Versammlungsbereich der rechten Gegendemonstranten zu kommen. Unter deren wüsten Beschimpfungen wurde der Mann von einer Polizistin in Zivil aus der Gefahrenzone weggeschoben. Außerdem sei, sagt Markus Winter, ein Verfahren wegen Beleidigung gegen einen Teilnehmer der rechten Szene eingeleitet worden. Sonst habe es keine größeren Vorkommnisse, keine verletzten Beamten gegeben, zieht er erleichtert Bilanz. Um 18.08 Uhr war der Einsatz beendet, deutlich früher als erwartet.
Bei den Wöllsteinern selbst wurde das Geschehen natürlich ebenfalls diskutiert, manche Fenster im Versammlungsbereich gingen auf, andere zu. Wöllstein sei keineswegs ein Rückzugsort für Rechtsextreme, wie es die Antifa auf Twitter durchblicken lasse, erklärt Ortsbürgermeister Johannes Brüchert. „Das sind drei Leute, die hier wohnen – aber wir sind knapp 5000 Einwohner!“ Die Zivilgesellschaft habe das mehrfach durch Mahnwachen oder auch durch zahlreiches Engagement für Geflüchtete unter Beweis gestellt. Das Versammlungsrecht und seine Durchsetzung sei ein hohes Gut, meint auch der Dritte VG-Beigeordnete Thomas Pitthan. Aber ob deshalb die Hauptdurchgangsstraße für mehrere Stunden gesperrt werden müsse? Ja, sagt Elisabeth Ließmann von der Versammlungsbehörde des Landkreises. Der Anmelder einer Versammlung habe das Recht, Ort und Zeit zu wählen – dafür müssten notfalls auch Verkehrsbehinderungen in Kauf genommen werden. Sie als Vertreterin der Behörde achte auf die Einhaltung der Auflagen. In Wöllstein hat sie keine verbotenen Zeichen oder sonstigen Verstöße beobachtet.
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