Fußballverein Borussia Eckelsheim kann dank Flüchtlingen in der neuen Saison mit elf Spielern antreten
Von Steffen Nagel
Redaktionsleiter Lokalredaktion Alzey
Marti dribbelt sich frei. Der Afghane ist nur einer von vielen Flüchtlingen in den Reihen der Borussia. Foto: photoagenten/Carsten Selak
( Foto: photoagenten/Carsten Selak)
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ECKELSHEIM - Die Männer in den grünen Trikots und schwarzen Hosen bilden einen Kreis. Langsam gehen sie in die Hocke, halten die Position. Alle schwitzen, einige ächzen. Die Abendsonne wirft ihre letzten Strahlen auf den Hartplatz, dessen roter Sand durch den nachmittäglichen Regen feucht und schwer geworden ist. Fußball-Idylle am Eckelsheimer Ortsrand, Dienstagstraining der Borussia.
Der kleine Dorfverein spielt in der C-Klasse Alzey, unterste Liga. Und er hat Probleme, so wie viele Klubs dieser Art draußen auf dem Land. Nur eine Mannschaft, zu wenige Spieler, keiner der Kicker kommt aus dem Ort, Nachwuchs Fehlanzeige. „Früher war das alles besser“, sagt Klaus Korffmann, Erster Vorsitzender und Mitbegründer der Borussia. Doch die Glanzzeiten, als die Eckelsheimer in der B-Klasse oben mitspielten, liegen schon lange zurück.
Fünf Neuankömmlinge verstärken die Mannschaft
Statt um sportliche Ziele geht es für den Verein derzeit vor allem darum, in der kommenden Saison mit elf Spielern antreten zu können. In der untersten Liga sind zwar auch Neuner-Teams erlaubt, doch diese Blöße möchte sich bei den Borussen keiner geben. Und sie müssen das wohl auch nicht. Denn der reguläre Spielbetrieb scheint gesichert.
Die Retter, sie kommen auf Fahrrädern aus dem benachbarten Wöllstein. Und sie tragen Namen wie Marti, Tarek oder Ismail. Allen gemein: Sie sind Flüchtlinge. Für seine Integrationsarbeit hat der Verein nun von der Egidius-Braun-Stiftung des Deutschen Fußballbundes (DFB) eine Förderung in Höhe von 500 Euro bekommen.
„Wir brauchen sie einfach“, sagt Klaus Korfmann, „die Runde ist schließlich lang.“ Fünf Neuankömmlinge sollen in der nächsten Spielzeit die Schuhe für die Borussia schnüren, Anträge für die notwendigen Spielerpässe sind bereits gestellt. Den DFB-Zuschuss investiert der Verein in die Ausstattung seiner Kicker, bezahlt damit Trikots, Trainingsanzüge, Schienbeinschoner.
Auch an diesem Dienstag sind sechs Geflüchtete beim Training mit dabei. Bei der Schnelligkeitsübung mit Trippeleinheiten macht Marti eine gute Figur. Der 20-jährige Afghane gilt als großes Talent, Trainer Dimitrijevic Nebosja ist zufrieden mit den bisherigen Leistungen seines Schützlings.
Nebosja ist seit vielen Jahren mit der Eckelsheimer Borussia verbunden, hier kennen ihn alle nur unter seinem Spitznamen: „Netzer“. Beim Thema Integration spielt der Serbe in seinem Verein die zentrale Rolle. In Wöllstein kümmert er sich gemeinsam mit dem Verein „WiW“ um die Betreuung von Flüchtlingen, hilft bei der Freizeitgestaltung aber auch bei Arztbesuchen oder Problemen mit Behörden. Die Männer, die an diesem Abend auf dem Platz stehen, sind nur seinetwegen hier. Er ist ihr Vertrauter, ihr Ansprechpartner. Vorbild.
„Netzer“ kann gut nachfühlen, was sie auf ihrer Flucht durchgemacht haben. Denn er ist einst in der gleichen Situation gewesen. Aus dem vom Krieg gezeichneten Jugoslawien ist er in den 90er Jahren nach Deutschland gekommen. Ohne anfangs ein Wort Deutsch zu können, hat sich der frühere serbische Erstliga-Kicker in seiner neuen Heimat durchgebissen. Nun will er den jungen Geflüchteten dabei helfen, in der Gesellschaft Fuß zu fassen.
Der Fußball kann dabei helfen. „Der Ball ist für alle rund und wenn er da ist, haben alle die gleiche Meinung“, sagt Netzer. Auch das gesellige Beisammensein nach dem Training trage dazu bei, den Neuankömmlingen die hiesige Mentalität näherzubringen. Und natürlich auch, für ein paar Stunden ihre mitunter schlimmen Schicksale zu vergessen. „Wenn man ihre Geschichten hört, tut das manchmal schon weh.“
An diesem Dienstagabend ist davon jedoch nichts zu sehen. Das Training geht weiter. Nach kurzer Trinkpause laufen die Spieler zurück auf den Platz, wenig später rollen Bälle über den feuchten, roten Sand. Dimitrijevic Nebosja verteilt orangefarbene Leibchen, erteilt Kommandos. Alle machen mit, viele schwitzen, einige Ächzen.
Fußball-Idylle am Eckelsheimer Ortsrand, Flüchtlinge mittendrin. Die Borussia bereitet sich auf die Saison vor.