Nach tödlichem Unfall: Zweiter Prozesstag bleibt ohne Urteil
Im Verfahren gegen den 19-jährigen Alzeyer, der einen tödlichen Unfall bei Kirchheimbolanden verursacht hatte, ergriff am zweiten Prozesstag die Tochter der Verstorbenen das Wort.
Von Pascal Schmitt
Reporter Rheinhessen Süd
Bei dem Unfall im Januar waren zwei Menschen, ein Arzt-Ehepaar aus der VG Alzey-Land, ums Leben gekommen.
(Archivfoto: Polizei)
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VG ALZEY-LAND/ROCKENHAUSEN - Noch mehr Beweise sollen ermittelt und noch mehr Gutachter gehört werden. Auch der zweite Verhandlungstag am Amtsgericht Rockenhausen im Fall des 19-jährigen Alzeyers, der im Januar durch ein Überholmanöver nahe Kirchheimbolanden einen Verkehrsunfall verursacht hatte, bei dem ein Arzt-Ehepaar aus der VG Alzey-Land ums Leben gekommen war, endete ohne Urteil.
Für die Nebenklage bleiben noch Fragen, die beantwortet werden sollen, bevor das Gericht entscheidet. Stand der Alzeyer zum Unfallzeitpunkt unter Medikamenteneinfluss? Hat er tatsächlich eine retrograde Amnesie, also einen Gedächtnisverlust aufgrund des traumatischen Ereignisses? Oder liegt gar eine Persönlichkeitsstörung vor? Ob diese Fragen beantwortet werden können, hängt jedoch von der Kooperationsbereitschaft des Angeklagten ab.
„Es geht uns nicht darum, schnellstmöglich eine hohe Strafe zu erreichen“, wendete sich die Tochter des verstorbenen Ehepaars und Nebenklägerin an den Angeklagten und seinen Verteidiger. Vielmehr solle dem Unfallverursacher Hilfe zukommen, sofern Hilfebedarf bei ihm bestehe, legte sie die Absicht hinter dem neuen Beweismittelantrag der Nebenklage offen. „Nur wer sich erinnert, kann verstehen. Und wer versteht, kann sich seiner Verantwortung stellen“, fügte sie an. „Er soll nicht aus der Strafe herausgehen, wie er sie antritt.“ Es sei im Sinne ihrer Eltern, dass sich das, was sich am 16. Januar auf der L 401 ereignet hatte, nie mehr wiederhole. Während die Tochter des Arztehepaares sprach, hielt der Angeklagte den Blick gesenkt. Nur kurz suchte er den Augenkontakt zu der Nebenklägerin.
FORTSETZUNG
Der dritte Prozesstag findet am Freitag, 14. September, ab 9 Uhr im Sitzungssaal 3 des Amtsgerichts Rockenhausen statt. Neben den Gutachtern soll dann auch die Jugendgerichtshilfe ihre Einschätzung abgeben.
Das Verfahren ist öffentlich.
Zwei psychologische Gutachten sollen nun erstellt werden. Darüber hinaus sollen die behandelnden Rettungsärzte von ihrer Schweigepflicht befreit werden, um mithilfe ihrer Aussagen zu ermitteln, wie der Wirkstoff eines Schlafmittels in die Blutbahn des 19-Jährigen gelangt war, was im Krankenhaus bei einer Blutprobe festgestellt worden war. Dazu muss der Alzeyer, der betonte, vor dem Unfall noch nie Schmerzmittel oder andere Medikamente genommen zu haben, zustimmen. Die Entscheidung soll Mitte der kommenden Woche dem Gericht mitgeteilt werden.
Neue Erkenntnisse, reichlich Diskussionen und einige Unterbrechungen brachte derweil die einzige Anhörung des Verhandlungstags mit sich. Das Gericht hatte ein zweites Unfallgutachten bestellt. Und der Sachverständige kam zu ganz anderen Ergebnissen als der Kollege, der beim Prozessauftakt ausgesagt hatte. Ein Vorgehen, das bei der Verteidigung des Angeklagten auf Unverständnis stieß. Bereits zu Beginn des Prozesstages unterstellte der Rechtsbeistand des 19-Jährigen dem Jugendschöffengericht Befangenheit. Er verstand nicht, wieso ein zweites Gutachten notwendig war, obwohl doch bereits eines vorlag. Die immer wieder neuen Anträge des Verteidigers, die Anhörung des Gutachters abzulehnen, sorgten dafür, dass bis zu einer Aussage des Sachverständigen reichlich Zeit verstrich.
Mithilfe einer Simulation hatte der Unfallgutachter ermittelt, dass das Schadensbild und die Endstellung der beiden Fahrzeuge mit den Werten des ersten Gutachters nicht in Einklang zu bringen seien. Zwischen 100 bis 110 statt der zuvor ermittelten 86 bis 98 Kilometer pro Stunde habe der Porsche Cayenne, den der Unfallverursacher fuhr, auf dem Tacho gehabt, als er frontal in den BMW X3 des Arzt-Ehepaares stieß.
Und auch dessen Wagen schrieb der Gutachter eine deutlich höhere Geschwindigkeit zu, als es das Erstgutachten getan hatte. Falsche Schätzwerte haben laut dem Sachverständigen zu dem aus seiner Sicht fehlerhaften Gutachten geführt.
Die Halterin des PS-starken Fahrzeugs, das sie dem damals 18-jährigen Unfallverursacher zur Verfügung gestellt hatte, konnte aufgrund gesundheitlicher Gründe nicht aussagen. Am Freitagmorgen war laut Richter Klaus Kuhlmann ein psychologisches Gutachten durch einen Facharzt erstellt worden, das belege, dass sie auf unbestimmte Zeit nicht verhandlungsfähig sei. Die Nebenklage hatte die Anhörung der Fahrzeughalterin beantragt. Einvernehmlich sahen die Prozessbeteiligten davon schließlich ab.