Franzose Jacques Garrido ist neuer Ortschef in Freimersheim
Neu im Amt: Wie der Franzose Jacques Garrido zum Ortsbürgermeister von Freimersheim wurde und was er in seinem Dorf bewirken will.
Von Steffen Nagel
Lokalredakteur Alzey
Praktisch noch ein Neubürger, doch mit einem großen Ziel: Der Franzose Jacques Garrido will als Ortsbürgermeister das Dorf wieder vereinen.
(Foto: BilderKartell/Axel Schmitz)
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FREIMERSHEIM - Es gibt Pointen, auf die nicht einmal die fantasiereichsten Journalisten kämen. Zum Beispiel die: In einem kleinen rheinhessischen Dorf wird am Tag der Europawahl ein neuer Ortsbürgermeister gewählt, ein Mann, der in Sao Paolo in Brasilien geboren worden ist, dessen Eltern Spanier sind und der einen französischen Pass hat. Achja, und nicht zu vergessen: Der erst seit 2012 im Ort lebt, also quasi noch Neubürger ist.
„Das hat mich auch sehr gewundert“, sagt Jacques Garrido und schmunzelt. Gemeint ist das Wahlergebnis: 71,8 Prozent der Freimersheimer gaben dem 59-Jährigen am Wahlsonntag ihre Stimme. Und das, obwohl er ganz offen und ehrlich von sich selbst sagt: „Von Kommunalpolitik habe ich momentan noch sehr wenig Ahnung.“ Das scheint offenbar nicht ganz so wichtig gewesen zu sein.
Gewählt haben die Bürger einen, der im Ort schnell Fuß gefasst hat, sich integriert hat, der ein Teil des Dorflebens geworden ist. 2015 gründete Garrido, der hauptberuflich als Fitness-Trainer arbeitet, hier einen Karate Club. Schon zwei Jahre zuvor hatte er sich an der 1250-Jahr-Feier beteiligt, als Würstchengriller am Stand der Feuerwehr. Wenig später war er Mitglied bei den Brandschützern: „Dabei hatte ich in meinem Leben noch nie eine Feuerwehr-Uniform angehabt“, sagt Garrido und lacht. Der typisch französische Akzent ist auch nach fast 40 Jahren in Deutschland nicht verschwunden.
DIE SERIE
Bei den Kommunalwahlen 2019 sind die „Chefsessel“ in zahlreichen Gemeinden neu besetzt worden.
In ihrer Serie stellt die Allgemeine Zeitung die neuen Ortsbürgermeister vor.
Dabei geht es um politische Ziele aber auch den Menschen hinter dem Amt.
Ins Land gekommen ist der Wahl-Freimersheimer einst übrigens im Zuge seines Militärdienstes. „Ich wollte unbedingt die Sprache lernen.“ Das hat geklappt. Der Liebe wegen ist Garrido dann dauerhaft geblieben.
Streit um Kriegerdenkmal hautnah mitbekommen
Er, der auch Erfahrungen mit Menschen anderer Bundesländer gemacht hat, sagt heute, dass die Rheinhessen einfach ein bisschen lockerer seien, offen und herzlich, „hier weht ein bisschen französisches Flair“.
Und doch hat Jacques Garrido auch mitbekommen, dass in seinem Dorf nicht alles rund läuft. Dass es Gräben gibt. Etwa 2016, als der Streit um die Verlegung des Kriegerdenkmals den Ort spaltete. Offen gibt er zu, dass er damals auf der Liste für den Erhalt des Monumentes unterschrieben habe. „Erst danach habe ich die Hintergründe verstanden“, sagt Garrido, „dass einige es als Nazi-Symbol betrachten.“ Der Franzose sprach mit Vertretern beider Seiten, versuchte, zu verstehen.
Es ist dieser Ansatz, der seine Arbeit als Ortsbürgermeister prägen soll. „Mir ist wichtig, die Leute wieder zusammenzubringen – das Dorf hat unter all dem sehr gelitten.“ Ein Ohr für die Sorgen der Leute zu haben, das sei wichtig, auch wenn man nie alle zufriedenstellen könne, sagt der designierte Ortschef. Eines seiner Lieblingswörter ist dabei Transparenz. Nur so könne man das Vertrauen der Menschen gewinnen.
Und sie motivieren, sich einzubringen in die Gemeinschaft. „Ich will das Dorf motivieren, mobilisieren“, sagt Garrido. Ehrenamtliches Engagement hält er für sehr wichtig, gerade in einem Ort, um dessen Finanzen es äußerst schlecht bestellt ist. Die Dorfmoderation, bei der er selbst von Anfang an mitgemacht hat, solle weiter vorangetrieben werden. Auch von einem Mehrgenerationenplatz ist die Rede. Das Neubaugebiet muss erschlossen werden. Das alte Rathaus ist seit Jahren Gesprächsthema: „Ich würde es ja gerne behalten, aber die Kosten für eine Instandsetzung sind einfach zu hoch.“ Hier müsse sich der neue Rat zusammensetzen.
„Neu“ ist dabei das entscheidende Wort. Denn nicht nur Jacques Garrido steht für den frischen Wind, der durch Freimersheim weht. Im zwölfköpfigen Gemeinderat gibt es neun neue Gesichter. „Wir sind fast alle unerfahren, ich hoffe, dass uns die drei anderen Mitglieder mit Rat und Tat zur Seite stehen“, sagt der 59-Jährige. Es gilt, fit zu werden in Kommunalpolitik und Co. Mit einem Fitness-Trainer an der Spitze sollte das nicht allzu schwer fallen.