29-jährige Nathalie Bitzinger schließt Ausbildung zur Pferdewirtin als Jahrgangsbeste ab
Von Pascal Schmitt
Reporter Rheinhessen Süd
Pferdewirtin Nathalie Bitzinger mit Wallach Raphael, den sie unter anderem auf dem Hof von Olympiasiegerin Dorothee Schneider in Framersheim betreut. Foto: photoagenten/Carsten Selak
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FRAMERSHEIM - Den ganzen Tag Pferde um sich haben, reiten und auf den Turnieren die ein oder andere Schleife absahnen. Und das im Beruf – der Traum vieler Mädchen. Doch ein Traum, für den nicht Jeder geeignet ist, wie Nathalie Bitzinger weiß. Denn sie lebt diesen Mädchentraum. Auf dem Gestüt Sankt Stephan hat die gelernte Mechatronikerin zur Pferdewirtin umgeschult und nun als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Fern der Heimat lebt und arbeitet die gebürtige Bayreutherin. Von einem geregelten Achtstundentag kann dabei keine Rede sein.
Seit ihrem fünften Lebensjahr schlägt das Herz der 29-Jährigen für Pferde. Seit über 20 Jahren sitzt sie fest im Sattel. Das Hobby zum Beruf machen? Diese Frage stellte sich Bitzinger bereits nach dem Abitur. Doch statt einem Zuchtgestüt wurde die Bundeswehr ihr Arbeitgeber. Nach sieben Jahren Dienst und viel Frust dann der Umschwung. Ein Beruf mit Sinn sollte es werden, bei dem ihre Passion nicht zu kurz kommt. Und so wurde das Hobby letzten Endes doch zum Beruf. Die Wahl des Hofs der Olympiasiegerin Dorothee Schneider kam dabei nicht von ungefähr.
Pferde seien Tiere, die auf die Fürsorge der Menschen angewiesen sind, sagt die 29-Jährige. Ein Stall, der diese Ansicht teilt und auf dieser Basis arbeitet, sollte auch ihre neue Wirkungsstätte sein. Denn hochklassiger Sport muss nicht auf Kosten der Tiere gehen, ist Bitzinger überzeugt. Dass Dorothee Schneider diese Ansicht teilt, werde allein durch ihren Reitstil deutlich, erklärt Bitzinger. Eine sehr schöne, feine und faire Art des Reitens sei es.
DIE SERIE
Sie sind so bunt und vielfältig wie die Natur, in der sie ausgeübt werden: die sogenannten „Grünen Berufe“. Trotzdem finden sie vielfach in der Gesellschaft nicht die gewünschte Resonanz.
In unserer Serie stellen wir Auszubildende oder Absolventen in den jeweiligen Berufsfeldern vor und stellen den jungen Menschen die Frage, warum sie sich für die Arbeit in der Landwirtschaft entschieden haben.
Seit zwei Jahren gehören Ausmisten, Füttern sowie Koppel- und Paddockdienste zum Alltag von Nathalie Bitzinger. Rund 40 Kilometer zu Fuß kommen da gerne mal zusammen. 60 Pferde sind zu versorgen. Und das alles zwischen Reitstunden, der Rehabilitation verletzter Tiere und den Turnieren am Wochenende. Ein absoluter Vollzeitjob, bei dem Feierabend ein Fremdwort ist.
Abwechslung im Alltag und Kontakt zu Lieblingstieren
Doch das stört die Pferdenärrin nicht. Denn dafür gibt es viel Abwechslung im Alltag und den Kontakt zu ihren Herztieren. „Wer in solch einem Beruf arbeitet, der taugt nicht für den klassischen Neun-bis-fünf-Arbeitstag“, ist Bitzinger überzeugt. Die Mistgabel gegen den Computer im Büro tauschen? „Das wäre wie eingesperrt sein.“
Nach dem Pferdewirt kommt die Ausbildung zum Bereiter, am Liebsten wieder auf dem Gestüt der Olympiasiegerin. Der Plan nach der zweiten Ausbildung steht auch bereits: Meister in Pferdehaltung und Service. Die Mistgabel bleibt also Bitzingers treuer Begleiter.
Ob es irgendwann mal ein eigener Hof wird, das steht für sie noch in den Sternen. Zunächst möchte sie noch an ihrer aktuellen Wirkungsstätte bleiben, Erfahrungen sammeln, reiterlich vorankommen und „ein bisschen was von der Reitsportwelt sehen.“
Die besten Bedingungen dazu hat sie bei Schneider. Denn nicht nur auf dem Hof gibt es Arbeit. Wenn Bitzingers Chefin sich auf den Weg zu den großen Turnieren macht, ist die 29-Jährige auch mit dabei. Pferde verladen, mit dem Laster an den Turnierort fahren und die wertvollen Tiere bereit für den Wettkampf machen. Dann wird aus der Pferdewirtin die Pflegerin. Viel Verantwortung sei damit verbunden. Kein Wunder, angesichts von Turniersportgrößen wie „Kiss me“, „Sammy Davis Junior“ und „Showtime“. Immer im Blick: die Uhr. Denn an Turniertagen muss alles passen, wie die Pferdewirtin erklärt, damit die Tiere im Turnierviereck die volle Leistung abrufen können. „Ich bin das fleißige Helferlein im Hintergrund.“
Das bedeute, auch selbstkritisch reflektieren und Rückschläge einstecken zu können. Gerade dann, wenn die Tiere mal einen schlechten Tag haben. Emotional könne es da schon mal an die Substanz gehen, gibt Bitzinger zu. Aufgeben sei aber keine Option. Man müsse sich durchbeißen, findet die Pferdenärrin. Aufstehen und weitermachen lautet die Devise. Denn die Arbeit mit Pferden sei immer auch Arbeit an sich selbst.