Grabungen am Ur-Rhein bei Eppelsheim unter erschwerten Bedingungen
Von Steffen Nagel
Redaktionsleiter Lokalredaktion Alzey
Mit Schubkarren transportiert das Wissenschaftsteam den Schlamm aus der Grube am Ur-Rhein. Foto: photoagenten/Axel Schmitz
( Foto: photoagenten/Axel Schmitz)
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EPPELSHEIM - Für einen kurzen Moment unterbricht Bastian Lischewsky seine Rede und runzelt die Stirn. „Hier muss ich gleich mal eingreifen“, sagt der 34-Jährige und nickt in Richtung der jungen Frau, die mit ihrem Werkzeug gerade ein Loch in den Boden zu hacken beginnt. Lischewsky mag keine Löcher. „Wir arbeiten in der Fläche“, erklärt der Grabungsleiter – zunächst der Presse und kurze Zeit später dann auch der kleinen Gruppe von Studenten, die hier, im Feld etwas oberhalb von Eppelsheim gelegen, am Arbeiten ist.
Es wird wieder gegraben am Ur-Rhein. Bis Oktober laufen die Forschungen rund um die Jahrmillionen zurückreichende Geschichte des gewaltigen Stromes. Seit rund 20 Jahren gibt es das Projekt, nun neigt es sich dem Ende zu. 2017 soll – vorausgesetzt, es passiert nichts Unvorhergesehenes – das Forschungsziel erreicht sein, die Grube danach wieder verfüllt werden (die AZ berichtete).
Gefüllt ist sie bereits gewesen, und zwar mit Wasser. Wie schon im Vorjahr hat auch dieses Mal Regen den Wissenschaftlern das Leben schwer gemacht. Die Folge: Schlamm schaufeln statt filigraner Pinselarbeit. „In der ersten Woche haben wir nichts von dem tun können, weshalb wir eigentlich hier sind“, sagt Bastian Lischewsky, während in der Grube neben ihm eine elektrische Pumpe – vom THW Ortsverband Wörrstadt zur Verfügung gestellt – knattert und spauzt.
Dabei gäbe es einiges zu tun, schließlich gilt es, Sedimentabfolgen zu erforschen, Fossilien zu bergen und schließlich mit modernster Technik ein 3D-Computer-Modell des Ur-Rhein-Abschnitts zu erstellen. Fragen wie „Wo ist der Ur-Rhein einst entlanggeflossen?“, „Wie war der Flusslauf beschaffen?“ oder „Welche Prozesse spielen sich in einer Flussrinne ab?“ warten auf ihre Beantwortung.
Immerhin als relativ gesichert gilt: Der Ur-Rhein muss in seiner Geschichte mindestens drei Mal genau dort vorbeigeflossen sein, wo die Wissenschaftler derzeit graben. Wie der stellvertretende Direktor des Naturhistorischen Museums in Mainz, Dr. Herbert Lutz, erklärt, könne man das anhand der in der Grube gefundenen Sedimente sagen. „Wir haben an der Basis Schichten aus drei unterschiedlichen Zeitfenstern gefunden.“ Das spreche dafür, dass der Rhein die Rinne beim Fließen immer wieder leergeräumt und neu aufgefüllt habe.
280 Kubikmeter Erde sind für weitere Untersuchungen in diesem Jahr neu „aufgeschlossen“ worden, wie es im Wissenschaftsslang heißt. Mit ganz unwissenschaftlichen Folgen, denn: „Der Radbagger musste den Abraum genau dort ablagern, wo wir seit zehn Jahren normalerweise immer unsere Zelte stehen haben“, berichtet Lischewsky. So sind Schlaf- und Küchenzelt nun an ungewohnter Stelle ein paar Meter weiter zu finden, wegen des abschüssigen Untergrundes teilweise durch Holzpaletten stabilisiert. Die Ortsgemeinde steuerte zwei Ladungen Holzhackschnitzel bei, damit die Forscher vor ihren Unterkünften nicht in den Matsch treten müssen.
Insgesamt zwölf Wochen verbringen Lischewsky, sein Mitarbeiter aus dem Bundesfreiwilligendienst und die vierköpfige Praktikantengruppe – Letztere im monatlichen Wechsel – an Ort und Stelle. Bei der Auswahl der Studenten, die aus ganz Deutschland kommen, achtet der Grabungsleiter nicht nur auf eine ausgewogene Geschlechtermischung, sondern auch auf möglichst unterschiedliche Wissenschaftszweige. Was alle eint, sind die Tage harter Arbeit. Zwischen sechs und halb sieben am Morgen heißt es: Raus aus den Schlafsäcken, ran an die Schubkarre. Nach stundenlangen Grabungen wird am Nachmittag in der Kita geduscht. Der Rest des Tages steht zur freien Verfügung, was meist heißt: Zusammensitzen bei Grillfleisch und Feierabendbier. „Um 22 Uhr fallen den meisten die Augen zu.“
Zwischen Dschungelcamp und Pfadfinderromantik
Doch nicht alles ist pure Pfadfinderromantik, auch ein bisschen Dschungelcamp ist mit dabei. „Nachts läuft auch mal der Siebenschläfer durchs Zelt“, erklärt Bastian Lischewsky und grinst. Nicht jeder kommt damit zurecht und so hat auch beim aktuellen Team bereits ein Praktikant nach einer Woche die Segel gestrichen.
Dennoch ist der Grabungsleiter zuversichtlich, auch in diesem Jahr weitere Erkenntnisse über den Urvater des heutigen Rheins gewinnen zu können. Auch wenn ihm die Wassermassen von oben zu schaffen machen und er manchmal die Stirn runzeln und erklären muss, warum er Löcher in seiner Grube nun wirklich gar nicht mag.