Neue Eskalationsstufe im Alzeyer Beitragssttreit:...

Heinz Knierim betrachtet seinen Gebührenbescheid über wiederkehrende Beiträge. Er ist nicht bereit, ihn so zu akzeptieren.Foto: pa/Carsten Selak  Foto: pa/Carsten Selak

Der Streit zwischen der Stadt auf der einen und einer Bürgerinitiative mit rund hundert Mitgliedern auf der anderen Seite erreicht eine neue Eskalationsstufe. „Wir haben im...

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ALZEY. Der Streit zwischen der Stadt auf der einen und einer Bürgerinitiative mit rund hundert Mitgliedern auf der anderen Seite erreicht eine neue Eskalationsstufe. „Wir haben im Dezember fristgerecht eine Normenkontrollklage über die wiederkehrenden Beiträge beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz eingereicht“, erklärt Heinz Knierim, Sprecher der Initiative. Nachdem die Bescheide für 2018 raus seien, hätten viele Bürger einen Schrecken bekommen. Nun würden sie sich bei ihm oder anderen BI-Mitgliedern melden. Denn in diesem Jahr verlange die Stadt Beträge, die knapp sieben Mal so hoch seien wie im Vorjahr. Ein Ende des Abkassierens sei nicht absehbar, denn endgültige Bescheide – etwa zum Ausbau der Hans-Böckler-Straße – lägen noch nicht vor.

Knierim schildert anonymisiert den Fall eines Bürgers: „2017 habe der Grundstückseigentümer 76 Euro Vorauszahlung leisten müssen, für 2018 belaufe sich die Forderung der Stadt auf 474 Euro. Auch dies sei nur ein Teilbescheid, nach den im städtischen Haushalt angesetzten Kosten würden wohl weitere 150 Euro fällig, vielleicht auch mehr, wenn Arbeiten teurer würden, etwa aufgrund unerwarteter Schwierigkeiten. „Da taucht dann etwas auf, das keiner vermutet hat und das muss auch noch schnell gemacht werden“, schildert BI-Mitglied Dr. Jürgen Gutknecht seine Erfahrung. Insgesamt würde das 8,7-fache dessen fällig, was im Erstbescheid stand, rechnet Knierim vor. Und nun kämen ja auch noch die Arbeiten in der Weinheimer Landstraße dazu; dort würden die Kosten für den Bürgersteig umgelegt werden.

Mit ihrem Gang vor Gericht will die BI eine gerechtere Gestaltung der Straßenbeiträge für die Bürger erreichen. Ein besonderer Dorn ist den Gegnern die einheitliche Geschossregelung. Denn bei ein-, anderthalb oder auch zwei Geschossen ist der Zuschlag identisch. „Dabei wohnen in zweigeschossigen Gebäuden ja doch häufiger mehrere Personen, die die Straßen dann entsprechend zusätzlich belasten“, stellt ein BI-Mitglied klar. Und im Übrigen seien einige der Anwohner, vor allem die Am Roten Tor, damals aufgefordert worden, ein- statt zweigeschossig zu bauen, auch um ein harmonisches Straßenbild zu erreichen. Nun müssten sie für zwei Geschosse zahlen.

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„Das ist eine Missachtung des Vertrauens“, moniert Knierim. Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz indes hat 2008 diese Regelung bestätigt. Es sei zu aufwendig, die Zahl der Geschosse zu prüfen, wenn nicht mehr als zehn Prozent davon profitieren würden. Das sehen die Mitglieder der Bürgerinitiative anders. Laut der rheinland-pfälzischen Verfassung sei die willkürliche Begünstigung (oder Benachteiligung) von Einzelpersonen oder Gruppen untersagt. „Der Einzelne hat Vorrang vor der Verwaltung. Um das zu klären, bin ich bereit, bis in die letzte Instanz zu gehen“, kündigt Knierim an.

Wolfgang Schwehn hat in diesem Zusammenhang noch andere Argumente: „Es wurde gar nicht geprüft, ob mehr oder weniger als zehn Prozent nur eingeschossig gebaut haben und nun zweigeschossig berechnet werden.“ Er und seine Mitstreiter vermuten, dass sehr wohl mehr als zehn Prozent betroffen seien. Auch einen Sondervorteil, wie ihn das Bundesverfassungsgericht 2014 für die Erhebung von Beiträgen forderte, sieht Knierim nicht. Jeder könne etwa die Hans-Böckler-Straße nutzen, nicht nur die Anlieger in Alzey West. Noch etwas verwundert: Die Bescheide 2018 seien an die Alzeyer gegangen und die Schafhausener. Dabei seien die doch eigentlich ein ganz anderer Abrechnungsbereich. „Wir werden auch die Einteilung der Gebiete in Frage stellen und den Richtern vorlegen“, kündigt Knierim an. Hinterfragt werden soll auch der städtische Anteil von nur 30 gegenüber bisher in der Regel 40 Prozent.

„Uns geht es nicht um die wiederkehrenden Beiträge selbst, sondern um die Ausgestaltung in der Satzung“, betont Knierim. Die Ausgangsbefürchtung, dass jedes Jahr mit Kosten zu rechnen sei, hätten sich bewahrheitet. An der Hans-Böckler-Straße sei, nach allem, was er gehört habe, 52 Jahre nichts gemacht worden, an den darüber liegenden Straßen wie der Freiherr-von-Stein-Straße, der Ernst-Reuter-Straße und der Ludwig-Jahn-Straße allerdings auch nicht. Da sieht die BI ständig weitere Kosten auf die Bürger zukommen.

Auch die Frage, inwieweit die wiederkehrenden Beiträge in dieser Form mit europäischem Recht vereinbar seien, stellt sich für Knierim. Dies gebe es seines Wissens nach in keinem anderen Land und auch in Deutschland gebe es genug Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg und Bayern, wo wiederkehrende Beiträge nicht eingeführt seien, etwa auch in den deutschen Stadtstaaten.

„Lörzweiler klärt das Thema über eine Bürgerbeteiligung, Rockenhausen lehnt sie ab, Monsheim diskutiert noch, Bingen hat die Einführung klar abgelehnt“, führt Gutknecht die Meinung anderer rheinland-pfälzischer Gemeinden zu wiederkehrenden Beiträgen an.

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Von Stefanie Widmann