Verdacht auf Wilderei: Forstamt-Mitarbeiter finden im Vorholz zwei getötete Rehe in kurzer Zeit
Ein Schuss im Forstrevier Vorholz schreckt Forstamt-Mitarbeiter Hans-Wilhelm Kern auf. Der Schütze ist nirgendwo zu sehen. Dafür finden er und seine Kollegen in letzter Zeit vermehrt Rehkadaver. Im Forstamt ist man sich sicher: Hier sind Wilderer am Werk.
Von Steffen Nagel
Redaktionsleiter Lokalredaktion Alzey
Symbolfoto: dpa
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ALZEY/WORMS - Hans-Wilhelm Kern ist gerade unterwegs im Vorholz, so wie jeden Tag, als der Schuss fällt. Irgendwo dort vorne, ein paar hundert Meter weiter im grünen Dickicht. Der Forstamt-Mitarbeiter ist alarmiert. Ein Jäger? Unwahrscheinlich, das wüsste er doch. Kern zückt das Telefon, wählt die Nummer von Gunnar Wolf. Der Revierleiter ist gerade in einem anderen Waldstück zugange, und auch er hat den Knall gehört. Beide Männer beraten sich kurz, kommen zu dem Schluss: „Irgendwo zwischen uns muss es gewesen sein.“ Jetzt steht definitiv fest: Einer von ihren Leuten ist das nicht gewesen. Kern macht sich auf den Weg in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. In der Nähe der ehemaligen Gaststätte „Forsthaus“ fällt ihm ein verdächtiges Fahrzeug auf, das dort eigentlich nichts verloren hat. Näher wagt er sich nicht heran. Er ist allein, zu gefährlich. Kern notiert sich das Nummernschild. Vielleicht nur ein Liebespärchen. Vielleicht auch nicht.
Im Mai hat im Vorholz die Jagdzeit begonnen. Seitdem haben die Mitarbeiter des Forstamtes bereits mehrere Male mysteriöse Schüsse im Wald vernommen. Und nicht nur das. An der Lesselhütte hinter dem Forsthaus wurde ein totes Reh gefunden. Getötet durch einen Kleinkaliberschuss in die Rippen. Minutenlang muss sich das verletzte Tier durch den Wald geschleppt haben, bis die letzte Luft aus seiner Lunge gewichen ist. Jäger verwenden solche Munition nicht. Und sie schießen anders. Ein weiterer Rehkadaver wird wenige Wochen später in den Wiesen bei Bechenheim gefunden. „Im Forstamt ist man sich sicher: Im Vorholz sind Wilderer am Werk.“ Und: „Wir wissen, wer im Wald unterwegs ist“, erklärt Gunnar Wolf. „Jeder Schuss ist zu melden.“ Und jedes geschossene Wild in die Wildkammer nach Oberwiesen zu bringen. Nur dort darf es aufgebrochen und ausgeweidet werden. Im Wald selbst ist so etwas verboten. Und doch melden Spaziergänger in letzter Zeit immer wieder Spuren von Blut und Eingeweiden auf den Wegen. „An Plätzen, wo von uns keiner gejagt hat.“
Forstamt-Mitarbeiter sind wachsam
Und dann sind da noch die Autos. Immer wieder hört Hans-Wilhelm Kern sie bei seinen nächtlichen Touren in der Dunkelheit durch den Wald brausen. Illegale Jagdausflüge? Sehr wahrscheinlich, ist der Waldexperte überzeugt. Sein wichtigstes Indiz: Nähert er selbst sich einer Gruppe von Rehen in letzter Zeit mit dem Auto, „gehen die ab wie Torpedos und springen davon“. Ungewöhnlich, da die Tiere eigentlich an Fahrzeuge und Spaziergänger gewöhnt seien. „Bekommen sie plötzlich Panik, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass von Autos herunter auf sie geschossen wird.“
Strafbar
Jagdwilderei wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet.
In besonders schweren Fällen, etwa der Jagdwilderei durch eine Gruppe mit mehreren Waffen, kann die Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre reichen.
Immer wieder haben die Mitarbeiter es mit Verdachtsfällen der Wilderei zu tun. So massiert wie in den letzten Wochen jedoch haben sie es bislang nicht erlebt. Gunnar Wolf und Hans-Wilhelm Kern sind deswegen nun besonders wachsam. Sie sind vorbereitet für den Fall, dass irgendwo im Wald ein Schuss fällt, der nicht von ihnen sein kann.