Donnerstag,
14.03.2019 - 00:00
3 min
Das Rebhuhn verschwindet
Von Winfried Maier
ALZEY-WORMS - Zu den eindeutigen Verlierern in der sich seit Jahrzehnten wandelnden Kulturlandschaft gehört zweifellos das Rebhuhn. Bis in die 1970er Jahre zählte es zu den am häufigsten vorkommenden Wildarten in unserer heimischen Feldflur. Seither ging der Bestand, jägersprachlich Besatz, bundesweit ständig zurück. Heute sind im Landkreis Alzey-Worms nur noch in wenigen Revieren Reste dieser kleinen Hühnervögel mit dem hufeisenförmigen Fleck auf der Brust zu sehen.
In den Wildnachweisungen der unteren Jagdbehörde des Landkreises wurden im Jagdjahr 2017/18 nur noch 28 Tiere registriert. Da in dieser Zeit das Rebhuhn auf freiwilliger Basis nicht mehr bejagt wurde, können diese Zahlen allerdings nicht als Anhaltspunkte für die vorhandenen Besätze gelten.
Kreisjagdmeister Gerd Schuckert äußert sich pessimistisch über die Zukunft dieses früheren Allerweltsvogels. Nach Schuckerts Ansicht seien ganz andere Faktoren wirksam, die den Rückgang des Niederwildes im Allgemeinen und des Rebhuhns im Besonderen verursacht hätten. So nennt Schuckert zunächst einmal die Veränderung des Lebensraums durch die moderne Landwirtschaft mit ihren Monokulturen in der ansonsten weitgehend ausgeräumten Landschaft.
Herbizide ließen auf den Äckern keine Wildkräuter mehr hochkommen, deren Samen die bevorzugte Nahrung der erwachsenen Rebhühner seien, und Insektizide würden die für die Aufzucht der Jungtiere lebensnotwendigen Bodeninsekten vernichten. Dem Raubwild, in erster Linie dem Fuchs, seien die Gelege der bodenbrütenden Hühnervögel nahezu schutzlos ausgeliefert. Daneben drohten den Rebhühnern durch Greif- und Rabenvögel Gefahr aus der Luft. „Wer etwas für das Überleben des Rebhuhns in unserer Region tun will, muss deshalb einerseits dessen natürliche Feinde kurz halten und andererseits wieder für ausreichende Nahrung und Deckung in Feld und Flur sorgen“, sagt Schuckert. Letzteres könne allerdings nur im Zusammenwirken mit den Landwirten gelingen, so der Kreisjagdmeister.
Etwas konkreter wird hier Richard Deichmann, seit 50 Jahren Pächter eines 1050 Hektar großen Jagdreviers in Bechtolsheim. Wie er aus Aufzeichnungen eines früheren Jagdaufsehers belegen kann, wurden im letzten Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg im Revier eines bekannten Sekt-Herstellers 1100 Rebhühner erlegt, 1959 waren es noch 650 Stück. Seither seien es jedes Jahr weniger geworden. Deichmann selbst hat auf die Bejagung des Rebhuhns in seinem eigenen Revier gänzlich verzichtet, nachdem im Jagdjahr 1978/79 die Jahresstrecke auf 15 Tiere zurückgegangen ist. Seither zählt er durchschnittlich zehn bis 15 „Ketten“ genannte Rebhuhn-Gruppen mit je vier bis 14 Tieren, die sich trotz Bejagungsverzicht und Hegemaßnahmen nicht vermehren würden.
Wie Schuckert sieht Deichmann die Ursache für diese Misere in der modernen Landwirtschaft und den zahlreichen Beutegreifern, denen er auch verwilderte Hauskatzen zurechnet. Bis zur Flurbereinigung um 1966 habe der kleinflächige Anbau von Getreide, Hackfrüchten, Grünfutter und Reben dem Niederwild ausreichend Nahrung und Deckung geboten. In den Furchen der Kartoffeläcker hätten sich die Rebhühner ausgesprochen wohl gefühlt. Und mit Kartoffelkäfern, Engerlingen und den Ameisenhaufen, die sich um jeden der damals noch in großer Zahl vorhandenen Grenzsteine gebildet hatten, habe eine ideale Kükennahrung zur Verfügung gestanden.
Auch Thomas Unger erinnert sich noch daran, als sein Vater vor 50 Jahren in seinem Nieder-Wiesener Revier an einem Herbstmorgen 300 Rebhühner erlegen konnte. Heute zähle er noch zwei bis drei Ketten, die er seit Jahrzehnten nicht mehr bejage. Auch hier würden kaum Jungtiere überleben. Unger beklagt, dass bei der frühen Ernte von Heu, Getreide und Raps häufig Gelege ausgemäht oder platt gefahren würden. Auch verschwänden mit dem sofortigen Unterpflügen der Stoppeln alle futterverwertbaren Reste. Ließe man hingegen die Stoppelfelder drei Monate liegen, würde außerdem das Aufkommen spätblühender Pflanzen begünstigt werden.
Elke Endlich, Jägerin, NABU-Aktivistin und Naturtrainerin aus Nieder-Wiesen bemängelt, dass Hecken zu oft radikal auf Stock gesetzt würden. Damit gingen nicht nur für die Rebhühner, sondern auch für Singvögel, Kleinsäuger, Eidechsen, Blindschleichen und Insekten deckungsreiche Lebensräume verloren. Sie fordert daher, Hecken nur abschnittweise zu kürzen und vor allem nie vollständig auf Stock zu setzen.