Ein Foto aus China geht Dr. Ulrich Baab nicht aus dem Kopf. Darauf zu sehen: Eine auf einem Kirschbaum sitzende Frau, die in der Hand einen Pinsel hält. Doch mit Malerei hat...
ALZEY. Ein Foto aus China geht Dr. Ulrich Baab nicht aus dem Kopf. Darauf zu sehen: Eine auf einem Kirschbaum sitzende Frau, die in der Hand einen Pinsel hält. Doch mit Malerei hat die Frau nichts am Hut. Ihre Aufgabe: Per Hand die Blüten der Obstbäume bestäuben. Etwas, das eigentlich Bienen und andere Insekten erledigen sollten. Doch die sind in der Region nicht mehr vorhanden. Wie auch die meisten anderen Kleintiere nicht mehr. Für Ulrich Baab ein „Albtraum“. Einer, der auch bald in unserer Region Wirklichkeit werden könnte.
Kaum noch Insekten im Garten, weniger Vögel, eine saubere Windschutzscheibe nach der Autofahrt: Für Baab gibt es zahlreiche Hinweise dafür. „Das Artensterben passiert momentan. Direkt vor unserer Haustür“, sagt er. Und will als Präsident des Alzeyer Rotary Clubs etwas dagegen tun.
Die Idee: Kommunen, Landwirte und Privatleute stellen Flächen rund um Alzey zur Verfügung, die der Rotary Club in blühende Wildwiesen verwandelt. Dies soll zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten Insekten- und insbesondere Wildbienenarten beitragen. „Nur so kann unsere Ernährung gesichert werden“, mahnt Baab. „Schließlich übernehmen die Insekten und Wildbienen die Hauptarbeit bei der Bestäubung von Pflanzen.“ Äpfel, Birnen, Tomaten und anderes Obst und Gemüse: ohne Bestäubung undenkbar.
Aktuell ist der Rotary Club dabei, nach geeigneten Flächen zu suchen. Und ist auch schon fündig geworden. So zum Beispiel rund um die Weinkirche und in der Nähe des Labyrinths in Alzey-Weinheim. Doch Weinheims Ortsvorsteher Uwe Frey sucht eifrig weiter. „Es ist schließlich nicht zu übersehen, dass es immer weniger Insekten gibt“, sagt er. Viele, mit denen er gesprochen habe, seien von dem Projekt begeistert. Das ist auch Hans-Friedrich Helbig, der Ortsvorsteher von Heimersheim. Auch er will schauen, wo der Stadtteil Flächen zur Verfügung stellen kann. Helbig selbst möchte auch eine eigene Gartenfläche einbringen.
Ausgelegt ist das Projekt auf fünf Jahre
Und auch der baldige Alzeyer Ehrenbürger Wulf Kleinknecht und seine Frau Gisela werden ein Grundstück zur Verfügung stellen. Größe: über 3000 Quadratmeter. Ein ehemaliger Weinberg. „Das war bislang ein naturnaher Rückzugsort für Rehe und Greifvögel“, erzählt Gisela Kleinknecht. „Mit Blüten wäre der natürlich noch schöner.“
Am Ende sollen alle Flächen zusammengerechnet eine Größe von rund 15 Hektar haben. Das wären etwa 20 Fußballfelder. Bis Ende März sollen die Flächen feststehen. Die Aussaat wird jedoch voraussichtlich erst im Frühjahr 2019 erfolgen.
Auf etwa 15 000 Euro werden die Kosten für die Umsetzung geschätzt. Ein Betrag, zu dem auch der Alzeyer Partner-Rotary-Club aus Geradmer in Frankreich etwas beisteuern will. Außerdem sollen Fördergelder beim übergeordneten Rotary-Distrikt beantragt werden.
Das Projekt ist erst mal auf fünf Jahre ausgelegt. So lange verpflichten sich die beteiligten Kommunen, Landwirte und Privatleute, ihre Fläche zur Verfügung zu stellen.
Und danach? Baab hat die Hoffnung, dass andere durch das Projekt angeregt werden, selbst gegen das Insektensterben aktiv zu werden. „Wir wollen den Anschub für ein langfristiges Umdenken geben.“ Damit nicht auch hier schon bald die Obstbäume per Hand bestäubt werden müssen.
Von Pascal Widder