Am Amtsgericht Rockenhausen läuft der Prozess gegen den 19-jährigen Alzeyer, der im Januar einen Unfall verursachte, bei dem ein Arztehepaar aus dem Alzeyer Land getötet wurde.
Von Pascal Schmitt
Reporter Rheinhessen Süd
Vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Rockenhausen hat sich der Angeklagte zu verantworten.
(Foto: Pascal Schmitt)
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ROCKENHAUSEN/ALZEY/ALZEY-LAND - Die Zeugen kämpfen heute noch mit den Folgen des Unfalls, bei dem ein Arztehepaar aus dem Alzeyer Land getötet wurde. „Normal“ Auto fahren ist für manche seit diesem 16. Januar 2018 nicht mehr möglich. Die Erinnerungen haben sich eingebrannt. Detailliert geben sie in ihren Aussagen wieder, was sich auf den Tag genau sieben Monate zuvor gegen 16 Uhr zwischen Morschheim und Kirchheimbolanden auf der L 401 ereignet hat. Der Prozess gegen den damals 18-jährigen Unfallverursacher vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Rockenhausen ruft die tragischen Ereignisse auf bedrückende Art und Weise in Erinnerung. Die Zeugenaussagen belegen: Das Thema ist für keinen der Betroffenen verarbeitet. Mit einer Ausnahme.
Die Tochter des verunglückten Ehepaares, auch Nebenklägerin, kämpft immer wieder mit den Tränen, wenn die Zeugen detailliert wiedergegeben, was sich an jenem Dienstagnachmittag im Januar ereignete. Der mittlerweile 19 Jahre alte Angeklagte hat während der Aussagen den Blick gesenkt. Nur kurz sucht der Alzeyer Augenkontakt zu den Hinterbliebenen, um dann das Gesicht in seinen Händen zu vergraben. Er wird sich bei den Hinterbliebenen entschuldigen, um Verzeihung bitten und sagen, dass er seine Tat bereut, die zwei Menschen das Leben kostete. Doch erinnern könne er sich an den Vorfall nicht.
Alles sei „ganz normal“ gewesen, sagt der Beifahrer des Angeklagten. Eine „ganz normale“ Autofahrt eben. Ein bisschen schnell sei sein Kumpel gewesen. Aber noch im Rahmen. So, wie es eben jeder auf der Strecke tue, sagt der Zeuge. Unsicher habe er sich nie gefühlt. Bis zu dem Zeitpunkt, als der Fahrer, trotz Verbotsschildern und durchgezogener Linie, zum Überholvorgang ansetzte. Regelrecht „ausgerastet“ sei er, sagt der Beifahrer. Eine Fahrzeugkolonne wollte der Alzeyer mit dem Manöver so überholen. Und dann war nichts mehr „ganz normal“.
RASERPARAGRAF
Seit Oktober 2017 ist der § 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen in Kraft.
Neben illegalen Straßenrennen umfasst er die grob verkehrswidrige und rücksichtslosen Straßenverkehrsgefährdung, mit dem Ziel, besonders schnell fahren zu können.
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft fußt in diesem Fall nicht auf fahrlässiger Tötung, auch wenn davon zunächst die Rede war. Die Staatsanwaltschaft stützt sich in der Anklageschrift vielmehr auf den sogenannten „Raserparagrafen“, der im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren führt. Doppelt so viel, wie es der Strafbestand der fahrlässigen Tötung zulässt. Die Härte der Anklage allein belegt: Was bei der Fahrt an besagtem Tag von Alzey nach Kirchheimbolanden gegen 16 Uhr passierte, war aus Sicht der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger alles andere als „ganz normal“.
Mit einem Porsche Cayenne startete der Fahranfänger seine Fahrt nach Kirchheimbolanden. Kurz vor dem Ziel setzte der Angeklagte an einer uneinsehbaren Stelle zwischen Morschheim und Kirchheimbolanden zu dem folgenschweren Manöver an. Einige Unfallzeugen geben an, der Fahrer des Porsches habe noch versucht, in die Fahrzeugkolonne einzuscheren, als der BMW X3 des Arztehepaars vor dem 18-Jährigen auftauchte. Andere geben an, er habe durchbeschleunigt. Wohl in der Hoffnung, noch rechtzeitig auf seine Fahrspur zurückzukommen, mutmaßen die Zeugen. Doch: „Es war klar, dass es nicht reicht“, sagt der Autofahrer, vor dessen Augen die zwei Fahrzeuge aufeinanderprallten.
Nicht nachvollziehbar sei das Manöver an dieser Stelle, stellt eine Zeugin fest, die wenige Augenblicke vor dem Unfall von dem Porsche überholt wurde. Wie schnell der unterwegs war, da unterscheiden sich die Aussagen. 120 bis 140 Stundenkilometer schätzt die Mehrheit. Höchstens 150, sagt ein anderer aus. Der Gutachter gibt später eine Geschwindigkeit, die sich zwischen 86 bis 98 Stundenkilometer bewegt haben muss, für den Porsche an, als er frontal in den BMW krachte. Das Ehepaar sei bereits tot gewesen, als die ersten Helfer zum Wagen eilten.
Für den Beifahrer des Angeklagten ist das Thema hingegen nach eigenen Angaben abgeschlossen. Nur leicht verletzt entstieg er dem völlig zerstörten Unfallfahrzeug. Die Zeugen hingegen hätten mehrheitlich den polizeilichen Opferschutz in Anspruch genommen, sagt der Polizist, der den Unfall und die Zeugenaussagen aufnahm. Nur schwer scheinen diejenigen, die als erste am Unfallort eintrafen, mit den Eindrücken fertig zu werden.
Neun Stunden dauerte der erste Prozesstag. Ein zweiter Verhandlungstag ist für Freitag, 24. August um 10.30 Uhr im Amtsgericht Rockenhausen angesetzt. Weitere Zeugen werden gehört. Dann soll die Frage geklärt werden, ob der Angeklagte die Straßenverkehrsgefährdung begangen hat, um besonders schnell zu werden. Nach der Antwort auf diese Frage richtet sich das Urteil.