Joachim Sieger ist beruflicher Betreuer für kranke und in Not geratene Menschen.
(Foto: BilderKartell/Axel Schmitz)
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ALZEY - Wer ohne die Hilfe anderer nicht mehr zurechtkommt, ist gut dran, wenn ihn eine liebevolle Familie auffängt. Doch was ist mit den Menschen, die allein leben, psychisch beeinträchtigt, krank oder geistig behindert sind und nicht auf die Unterstützung von Ehegatten, Kindern oder Geschwistern bauen können? Wenn sie Glück haben, bemerken Nachbarn oder entfernte Verwandte die Notsituation und wenden sich an das zuständige Sozialamt. Das Betreuungsgericht stellt dem Betroffenen dann, wenn nötig, einen Betreuer zur Seite.
Joachim Sieger ist ein solcher gesetzlicher Betreuer. Genau gesagt: Ein Berufsbetreuer. Das heißt, er übt diese Tätigkeit nicht ehrenamtlich aus, sondern ist bei den Amtsgerichten in Alzey, Worms und Mainz als Fachkraft gemeldet. Das Aufgabenfeld des 48-Jährigen ist weit gefasst: Er regelt die Finanzen seiner Klienten, vertritt sie gegenüber Behörden, organisiert pflegerische Dienste oder willigt, wenn sie selbst das nicht mehr können, in ärztliche Behandlungen ein.
„Jeder Mensch kann jederzeit in eine Situation kommen, in der er eine Betreuung braucht“, sagt der Diplom-Betriebswirt, der lange Zeit als Controller in einem Krankenhaus gearbeitet hat und Geschäftsführer einer kleinen Klinik ist. „Nach einem Unfall oder einer Krankheit finden sich manche Menschen nicht mehr in ihrem Leben zurecht: Sie vereinsamen, bezahlen ihre Rechnungen nicht mehr, verschulden sich oder versäumen Arzt- und Behörden-Termine“. Wenn sich jemand aus der Verwandtschaft oder dem Freundeskreis bereit erklärt, sich um einen solchen Menschen zu kümmern und der Betroffene einverstanden ist, wird der Richter ihn meist als ehrenamtlichen Betreuer einsetzen. In allen anderen Fällen beauftragen die Amtsgerichte fremde Betreuer mit der Aufgabe.
Sieger selbst ist schon durch sein Studium gut auf diese Arbeit vorbereitet: Seine Fächer waren Betriebswirtschaft mit der Fachrichtung Krankenhaus und das Management Sozialer Einrichtungen. Seine Erfahrung im Umgang mit Finanzen und Behörden sowie seine Kenntnis der Sozialgesetzgebung kommen ihm in seinem neuen Beruf sehr zugute. Zusätzlich hat er sich in der Betreuung Demenzkranker weitergebildet und Schulungen auf weiteren Gebieten besucht, denn: „Berufsbetreuer und Betreuungsvereine müssen viele Kompetenzen vorhalten, sei es auf dem Gebiet der Medizin und Psychologie, sei es in den Bereichen Recht und Versicherungswesen“, sagt er.
Seine 25 Klienten sind in ganz Rheinhessen verstreut
Die derzeit 25 Klienten von Joachim Sieger leben über Rheinhessen verstreut, sind zwischen 20 und 98 Jahre alt und gehören allen sozialen Schichten an. Manche wohnen in der eigenen Wohnung, manche in einem Heim oder einer Obdachlosenunterkunft. Einige haben Drogenprobleme, einige sind geistig behindert oder leiden an einer psychischen Störung, andere wurden im Alter dement. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf Unterstützung angewiesen sind. Und dass die Zeit, die ihnen Joachim Sieger widmen kann, im Grunde viel zu knapp bemessen ist.
Als Landessprecher des Bundesverbandes der Berufsbetreuer hat er Zahlen parat. „Unsere Vergütung wurde seit 2005 nicht mehr angehoben“, erklärt er und verweist auf die geringe Stundenzahl, die ihm für jeden Klienten zugestanden und damit auch bezahlt wird. Zwischen zwei und 8,5 Stunden darf er sich monatlich mit ihren Angelegenheiten befassen, je nach Situation der Betreuten. Dass das viel zu wenig ist, liegt auf der Hand.
Ausländer, die kein Deutsch sprechen, sind bei der derzeitigen Gesetzeslage noch zusätzlich benachteiligt. Die notwendigen Dolmetscherkosten werden nämlich von den zuständigen Justizministerien nicht vergütet. Die Betreuer müssen sie selbst übernehmen, was ihr Budget aber nicht zulässt. „Dieses Verhalten der Politiker aller Parteien und ihre Ignoranz gegenüber hilfsbedürftigen ausländischen Mitbürgern kann man nur als versteckten Rassismus interpretieren“, stellt Sieger ungehalten fest. In die Kategorie „Unverständliche Entscheidungen“ gehört auch das Verhalten des Jobcenters, das mitunter die Zahlungen an arbeitsunfähige Klienten einstellt, ehe das Sozialamt seine Unterstützung zugesagt hat. „Wenn ich sehe, dass dieser Mensch dann hungern muss oder sogar seine Wohnung verliert, weil er die Miete nicht zahlen kann, habe ich schlaflose Nächte“, gesteht Joachim Sieger.