Damit es bei den Klienten der Tagesstätte Oase in Alzey im Lockdown nicht nur Dosenravioli gibt, hat sich der Verein für Integration und Teilhabe am Leben etwas einfallen lassen.
Von Pascal Schmitt
Reporter Rheinhessen Süd
Reiner Jacobs holt mit Immo Dehnke-Fell bei Margit Schüttler Lebensmittel für die Klienten ab.
(Foto: Pascal Schmitt)
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ALZEY - Eine Kiste nach der anderen wandert in den alten VW-Transporter. Und während die Anzahl der vitamingeladenen Päckchen im Heck des Kleinbusses mit jedem Gang von Immo Dehnke-Fell, Reiner Jakob und Margit Schüttler wächst, sinkt die Anzahl der mit Mandarinen, Kartoffeln und Blumenkohl gefüllten Kisten auf den Tischen im Hof der Familie Schüttler immer mehr. 45 Kartons voller Obst und Gemüse sollen es am Ende sein. Deren Zwischenziel: der Verein für Integration und Teilhabe am Leben in Alzey. Eine Kiste jedoch findet erst gar nicht den Weg in die Volkerstadt.
Immo Dehnke-Fell fährt den Transporter an diesem Nachmittag nach Wachenheim zum Weingut Schüttler. Seit Ende Juli, Anfang August unterstützt die Familie das Projekt Vital-Mahlzeit-Guude des Vereins. Ins Leben gerufen wurde es, kurz nachdem viele der Angebote für chronisch psychisch Beeinträchtigten aufgrund der Pandemie auf Eis gelegt werden mussten. Unterstützung in Form von 10 000 Euro gab es von der Aktion Mensch. Das Ziel: den chronisch psychisch beeinträchtigten Menschen im Landkreis trotz Lockdown weiter den Zugang zu gesunden Lebensmitteln – zu Vitalbausteinen – zu ermöglichen. Darüber hinaus erfüllte die Aktion noch eine Aufgabe: „Für uns war es im Lockdown gleichzeitig der einzige Kontakt in der Woche zu den Klienten“, sagt Dehnke-Fell, der Mitarbeiter in der psychosozialen Assistenz des Vereins ist. Zum November hin ist das Projekt offiziell ausgelaufen. Das Ende bedeutet es aber nicht.
Bis Februar, schätzt Dehnke-Fell, werden er und sein Team weiter Vitamine liefern. Möglich machen es die Geldspenden, die im Zuge des Projekts reingekommen sind. Immer gegen Ende des Monats gibt es die Kisten voller Gemüse und Obst aus dem Hofladen. Dann, wenn bei vielen der Klienten der Geldbeutel leer ist. Gefüllt werden sie vom Weingut Schüttler und dem Eichhof in Kettenheim. Für Margit Schüttler, die den Hofladen des Weinguts betreibt, war klar, dass sie unterstützen will, als sie im Sommer auf das Projekt aufmerksam wurde.
„Gerade im Sommer haben wir ja immer etwas übrig“, sagt Margit Schüttler. Wenn im eigenen Garten etwa die Tomaten reifen. Oder im Herbst dann auch die Kürbisse. Einen Teil davon gaben sie an die rund 200 Klienten des Vereins weiter. Nun kauft der Verein bei ihnen ein.
„Viele Klienten ernähren sich ja nicht sonderlich gesund“, weiß Dehnke-Fell. Diejenigen, die die Tagesstätte Oase besuchen, bekommen dort dann auch ein gesundes Mittagessen. Mit dem Lockdown allerdings bleib die Küche erstmal kalt. Damit es nicht überwiegend bei Dosenravioli und Tiefkühlpizza bleibt, hat der Verein die Aktion ins Leben gerufen. Imme Dehnke-Fell ist es wichtig zu betonen, dass es sich dabei nicht um B-Ware handelt. „Das sind qualitativ hochwertige Lebensmittel“, sagt der 55-Jährige und greift aus einer der Kisten den Blumenkohl. Zu Beginn konnten einige mit dem Gemüse in den Kisten nicht viel anfangen, erinnert sich Dehnke-Fell. Kohlrabi etwa. Oder auch Kürbis. Mittlerweile jedoch, so der 55-Jährige, seien viele auf den Geschmack gekommen.
„Bei vielen fehlt es schlichtweg am Geld“, weiß Dehnke-Fell. Mit Hartz-4 oder Grundsicherung – da sind gute Lebensmittel oft nicht drin. Im ersten Lockdown hatte auch die Tafel geschlossen. Mit Vital-Mahlzeit-Guude wollte man Sorge tragen, dass dennoch gesundes Essen auf den Tisch kommt. Und geht es nach Dehnke-Fell, dann könnte die Aktion auch noch ein bisschen länger laufen.
Unterstützung bekommt er an diesem Tag von Reiner Jacobs. Normalerweise steuert der 61-Jährige mit dem kleinen Zopf auf der einen Seite des Kopfes und dem halb abrasierten Bart die Familie Schüttler selbst an. Seit zwei oder drei Jahren besucht der Erbes-Büdesheimer die Tagesstätte Oase. Bei der Besorgung der Lebensmittel hilft er freiwillig. Von den Kisten selbst eine abstauben, das kommt für Jakobs aber nicht in Frage. „Ich bin Selbstversorger“, sagt der Mann mit den verschiedenfarbigen Schuhen. Die gesunden Lebensmittel könne er sich selbst leisten. Weswegen er regelmäßig die Tagesstätte besucht? „Wegen meines ausgeprägten Duz-Zwangs“, sagt Jacobs und grinst dabei verschmitzt.
Dehnke-Fell steuert den Bus jetzt Richtung Monsheim. In der Bahnhofstraße liefert er die erste Kiste an einen der Klienten aus. „Liegt ja auf dem Weg“, sagt er. Die restlichen Kisten werden dann innerhalb von zwei oder drei Tagen an die 44 weiteren Haushalt verteilt. Weswegen er gerne mit psychisch kranken Menschen zusammenarbeitet? „Die Abwechslung“, antworte Dehnke-Fell. Und die Möglichkeit, von diesen Menschen zu lernen. „Viele von ihnen haben ganz eigene Talente“, sagt der 55-Jährige. Und mit diesen schafften sie es immer wieder, ihn und seine Kollegen zu verblüffen.