Bürgermeister Burkhard sieht bei Zirkus-Gastspielen durch Bundesgesetze alles geregelt. Doch auf Bundesebene tut sich etwas. Was hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner vor?
KRITIK UND PROTEST
Schon vor der ersten Vorstellung des Circus Manuel Weisheit hatten Tierschützer die Haltung der sibirischen Tiger kritisiert. Anrufe erreichten das Kreisveterinäramt, auch auf der AZ-Facebookseite diskutierten Zirkusfreunde und -gegner.
Bei der ersten Vorstellung am Freitag war es dann zu einer Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Linksjugend und Zirkusmitarbeitern gekommen.
Für diesen Sonntag haben Tierschützer eine Mahnwache angekündigt.
ALZEY - Christoph Burkhard kriegt dieser Tage viel Post. „Von beiden Seiten“, sagt der Bürgermeister. Während der Circus Manuel Weisheit mit seinen vier sibirischen Tigern im Industriegebiet gastiert, fordern Tierschützer und Tierrechtler ein kommunales Wildtierverbot. Und Zirkusfreunde warnen den Bürgermeister gleichzeitig davor, ein solches Verbot auszusprechen. Christoph Burkhard sagt: „Solange von keiner Fraktion ein Antrag kommt, werden wir als Verwaltung nicht tätig werden.“
Der Bürgermeister also als Fan von Tigern in der Manege? Jein. Burkhard sagt: „Ich finde es nicht schlecht, wenn Kinder in Zoos oder Zirkussen die Möglichkeit bekommen, wild lebende Tiere kennenzulernen.“ Gleichwohl stehe der Tierschutz natürlich an erster Stelle und Tierquälerei sei absolut verwerflich.
Dass Alzey aber so schnell wohl kein Auftrittsverbot für Zirkusse mit Wildtieren verhängen wird, begründet der Rathaus-Chef mit den Bundesgesetzen. „Die Vorgaben verbieten Wildtiere nicht. Dann müssen wir nicht extra eine Satzung erlassen, wenn eine andere Ebene das schon geregelt hat“, sagt Burkhard.
Anderswo sieht man das anders. Oppenheim und Worms erlauben keine Zirkus-Gastspiele mit Wildtieren auf städtischen Flächen. Alzeys Bürgermeister sagt: „Mit einem Verbot wäre der Zirkus ja trotzdem da.“ Denn Manuel Weisheit und seine Tiger sind derzeit auf einem Privatgrundstück zuhause.
„Wir bevorzugen städtische Plätze“, sagt Zirkus-Pressesprecher Tim C. Thomsen. Immerhin betreibe man ein Gewerbe, „und dann brauchen wir auch den entsprechenden Platz“. Trotz der Unruhe am Freitag (siehe Infokasten) sind die Zirkusleute mit ihren ersten Auftritten in Alzey zufrieden. Am Samstag und Sonntag sei das 400 Leute fassende Zelt gut gefüllt gewesen.
Dirk Candidus vom Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“ überrascht das nicht. „Wir finden es grundsätzlich gut, richtig und sinnvoll, dass sogenannte Wildtiere im Zoo, Delfinarium oder Zirkus gehalten werden“, sagt Candidus. Warum? „Das ist eine kulturelle Errungenschaft.“
Das Bündnis hatte sich auch an Bürgermeister Burkhard gewandt, um einem Wildtierverbot in Alzey vorzubeugen. In einem fünfseitigen Schreiben führen die Zirkusfreunde Argumente und Studien pro Wildtierhaltung an: So gebe es nur in Einzelfällen Belege für die Gefährdung des Tierwohls, und die regelmäßigen Kontrollen durch die Veterinärämter fielen überwiegend ohne Beanstandung aus. Ein weiteres Argument: Wildtierverbote könnten „zu einem unkontrollierten Zusammenbruch der Zirkusszene führen – mit allen damit verbundenen Nachteilen und Risiken für die Tiere“.
Das Aktionsbündnis gehört zum Verein „Gesellschaft der Circusfreunde“. Dirk Candidus bezeichnet sich und seine Mitstreiter als „2000 Zirkusliebhaber“. Und dann gibt es noch das Aktionsbündnis „Tiere gehören nicht zum Circus“, das seinen Gegenspieler als „zirkuslobby-gesteuertes Bündnis“ bezeichnet. Weisheit-Sprecher Thomsen sagt, man unterstütze das Bündnis nicht: „Sondern sie unterstützen uns.“ So bekämen die Zirkusleute vom Bündnis nützliche Studien, und man trete auch vor Gericht mit dem Verband deutscher Circusunternehmen als Klägergemeinschaft auf – um sich gegen kommunale Wildtierverbote zu wehren.
Doch vielleicht sind die schon bald gar nicht mehr nötig. Am Montag sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in einer Bürgersprechstunde bei Facebook: „Es gibt Tiere, die gehören überhaupt nicht rein in den Zirkus.“ Man sei mit den Zirkussen im Gespräch und werde „einiges verändern“.
Beim Circus Manuel Weisheit glaube sie nicht an ein Wildtierverbot. Tim C. Thomsen berichtet von einem Runden Tisch, der im vergangenen Jahr im Ministerium stattfand. „Wir werden ernstgenommen von der Politik“, sagt Thomsen. „Es wird Veränderungen geben. Aber eine Verbotsliste ist nicht der richtige Weg. Wir wollen auf keines unserer Tiere verzichten.“