Kemal Gülcehre bringt es in der Feierstunde auf den Punkt: So etwas darf nie wieder geschehen. In das Gedenken mischt sich die Mahnung, gegen Rechtsextremismus vorzugehen.
Von Nadine Tzounakis
Kranzniederlegung in der Augustinerstraße (v.r.): Kemal Gülcehre und Anderas Greif vom Beirat für Migration und Integration sowie Heiko Sippel und Hans-Werner Stark.
(Foto: BK/Axel Schmitz)
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ALZEY - Dort, wo einst die 1854 erbaute Synagoge stand, erinnern in der Augustinerstraße Gedenktafeln an die vor dem Holocaust in Alzey lebenden jüdischen Mitbürger. Die Pogromnacht vor 81 Jahren steht für den Beginn der gezielten Auslöschung jüdischen Lebens in Deutschland, für den vom NS-Regime und seinen Schergen ausgeübten Terror gegen Menschen jüdischen Glaubens. Um der Opfer zu gedenken, die Erinnerung wachzuhalten und aufmerksam in Gegenwart und Zukunft zu bleiben, legte der Beirat für Migration und Integration im Landkreis bei einer Feierstunde am früheren Standort der Synagoge einen Kranz nieder.
„In dieser Nacht wurden über 1400 Synagogen und jüdische Einrichtungen in Deutschland vernichtet. Über 400 Menschen kamen an diesem Tag ums Leben“, erinnerte Beiratsvorsitzender Kemal Gülcehre. Auch in Alzey seien Menschen verfolgt und ermordet worden. Mit einer Schweigeminute wurde den Opfern des NS-Terrors Respekt gezollt. Gülcehre kündigte an, dass eine solche Gedenkveranstaltung künftig in jedem Jahr stattfinden wird. Es müsse gehandelt werden und die Entstehung eines solchen Gedankengutes im Keim erstickt werden. „Ich hoffe, dass so etwas nie wieder, nirgendwo passiert“, mahnte er abschließend.
„Sie alle kennen unsere Geschichte, weil wir uns immer wieder erinnern“, sagte Andreas Greif, stellvertretender Vorsitzender des Beirats. Diese Erinnerung sei ein wichtiger Baustein bei der Verhinderung solcher Taten in der Zukunft. Doch auch heute sei Antisemitismus ein brisantes Thema. „Wir sollten die Gedenkstunde auch nutzen, um der Toten von Halle zu gedenken“, erklärte Greif. Es sei wichtig zu begreifen, dass Antisemitismus immer noch in Deutschland vorhanden sei und niemals verschwunden war. Auch die Zuspitzung im rechtsextremen Milieu sei für jeden erkennbar. „Als Zivilgesellschaft müssen wir wachsam und sensibel gegenüber offenen und latenten Äußerungen sein“, betonte Greif. Man müsse die Courage besitzen, gegen diese Äußerungen vorzugehen.
Die Erinnerungskultur hob auch der Erste Beigeordnete der Stadt, Dr. Hans-Werner Stark, hervor: „Als Schüler habe ich erst in der Oberstufe erfahren, was damals geschah. Ein nationales Gedenken an dieses beispiellose Geschehen gab es damals nicht.“ Erst 1978 fanden auf Bundesebene erstmals Veranstaltungen statt, an denen sich auch ein Bundespräsident beteiligte. Man wisse heute, dass man lange „auf dem rechten Auge“ blind gewesen sei und dennoch hätten erst die Verbrechen des NSU deutlich gemacht, dass diese Ideologie weiterhin vorhanden sei. Umso wichtiger sei die Erinnerung, „damit wir und unsere Kinder erkennen, zu welchen Taten diese Menschen fähig sind“, unterstrich er. Michael Lohmer, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, bekräftigte: „Erinnerung wachhalten heißt auch, sich mit den Höhen und Tiefen unserer wechselhaften Geschichte auseinanderzusetzen und daraus Konsequenzen für unser heutiges Handeln zu ziehen.“
SPD-Landtagsabgeordneter Heiko Sippel verdeutlichte die Strukturen, die den NS-Terror prägten. „Es begann mit Vorurteilen, die Medien wurden gleichgeschaltet und Sündenböcke gesucht und gefunden“, erläuterte er. Man hätte wissen können, was folgen sollte, da die Ideologie bereits in Hitlers „Mein Kampf“ Jahre zuvor zu lesen war. „An Halle können wir es sehen: Der Schoß, aus dem das alles kroch, ist noch fruchtbar“, so Sippel. Die Tatsache, dass Rheinland-Pfalz wieder einen Antisemitismusbeauftragten benötige, sei beängstigend. „Es ist unser aller Aufgabe, sich klar zu wehren. Man darf nicht weghören: Das ist nicht ein Vogelschiss in der deutschen Geschichte – das ist die größte Schande“, betonte er unter Applaus.