Für Bestatter aus Alzey ist Arbeit ohne Maske nicht denkbar
Eine gute Nachricht hat der Leiter des Alzeyer Bestattungsinstituts Christian Brand: Die Sterbezahlen sind in seinem Umfeld wie auch bundesweit auf dem Vorjahresniveau geblieben.
Von Marta Thor
Freie Mitarbeiterin
Der Alzeyer Bestatter und Leiter des elterlichen Unternehmens Christian Brand ausnahmsweise einmal ohne Maske, die zum festen Bestandteil seiner Berufskleidung geworden ist.
(Foto: pakalski-press/Axel Schmitz)
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ALZEY - Für einen Mann mit seinem Beruf ist Christian Brand eigentlich viel zu fröhlich. Vermutlich hat der 39-jährige Leiter eines Bestattungsinstituts die ansteckendste Lache seiner Zunft. Dabei müsste ihm gerade jetzt, in der Corona-Pandemie, in der täglich neue Höchstwerte bei Sterbefällen im Zusammenhang mit dem Coronavirus, eigentlich das Lachen vergehen. Tut es aber nicht. Und das hat einen guten Grund, denn der Leiter des Bestattungsinstituts Brand in Alzey hat ausnahmsweise mal eine gute Nachricht: „Die Sterbezahlen sind auf gleichem Niveau wie im Vorjahr.“ Nicht nur in seinem Bereich, sondern auch im bundesweiten Vergleich.
Jedes Jahr betreut sein Unternehmen etwa 400 Todesfälle. Die Zahl sei in diesem Jahr nicht signifikant gestiegen, sagt Brand und lacht wieder breit. Das erkennt man in diesen Tagen allerdings nur an seinen blitzenden grünen Augen. Den Rest seines Gesichts verdeckt eine FFP2-Maske. „Die merke ich schon gar nicht mehr, so sehr habe ich mich daran gewöhnt“, sagt der Alzeyer. Beim Sprechen, und besonders beim Lachen, bilden sich auf der weißen Oberfläche der Maske Falten.
Die Maske, in diesem Jahr ein ständiger Begleiter in seinem Beruf. Auch der Abstand – sowohl zu den Trauernden als auch den elf Mitarbeitern. Sogar zu seiner Mutter, die selbst noch in der Beratung der Hinterbliebenen aktiv ist. „Wir versuchen, den Kontakt minimal zu halten“, sagt Christian Brand. Ein gemeinsames Mittagessen dauere jetzt selten länger als zehn Minuten. Aus seinem eigenen Büro hat er sich schon während des ersten Lockdowns zurückgezogen und im ersten Stock Quartier bezogen, wo er isoliert arbeiten kann. Die Vorsichtsmaßnahmen sind hoch, denn einen kompletten Ausfall kann sich das Unternehmen nicht erlauben. Gestorben wird immer. Und das nicht nach Terminplan. „Als Dienstleister muss man da sein. Das Sterben hört nicht einfach auf.“
2004 übernahm der gelernte Bürokaufmann, Bestattermeister und Thanatopraktiker den 1900 gegründeten Betrieb von seinen Eltern. Als jüngster Sohn in der Familie; seine älteren Geschwister hatten kein Interesse am Geschäft mit dem Tod. Für ihn gehört er einfach zum Leben dazu. Brand überführt die Körper der Verstorbenen und bereitet sie für die Trauerfeier vor. Mit einem Kollegen ist er auch für die Bundeswehr im Ausland, um Verstorbene zurückzuholen. In diesem Jahr nicht allzu oft. Wegen Corona.
20 Sterbefälle, bei denen die Verstorbenen nachweislich positiv auf das Coronavirus getestet waren oder in diesem Zusammenhang gestorben sind – das wisse man ja nie so genau, woran die Menschen genau verstorben seien, sagt Brand – hat das Bestattungsinstitut Brand in diesem Jahr beerdigt oder kremiert. Anders als im katholisch geprägten Italien, wo in der ersten Corona-Welle die Leichen in Lastern aus der Provinz in Krematorien gefahren wurden, sei die Lage in Deutschland entspannter, sagt Brand. Corona-Positive müssen nicht zwingend verbrannt werden. Eine offene Aufbahrung dagegen ist verboten.
Die Hygienemaßnahmen verlangen ihm und seinen Mitarbeitern einiges ab. Es ist anstrengender geworden, sagt Brand. Nachdem das Unternehmen 2016 bereits eigene, unschöne Erfahrungen mit dem Lassa-Virus gemacht hatte, war die Sensibilisierung für die ohnehin hohen Vorkehrungen bei den meisten Mitarbeitern vorhanden. Holt Brand – in voller Montur, mit Schutzanzug und einer Vollmaske mit Kohlefilter – nun einen Verstorbenen aus dem Krankenhaus oder Altenheim ab, der im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstorben ist, liege dieser ohnehin schon in einer speziellen und desinfizierten Hülle. Doch das reicht ihm nicht aus. Er verpackt die Leiche in eine zweite Twaylen-Hülle, eine biologisch abbaubare und luftdichte Hülle.
Normalerweise müsste er den Körper des Verstorbenen entkleiden, waschen und desinfizieren. Das ist bei Corona-positiven Fällen verboten. Die Verstorbenen werden so wie sie waren beerdigt. Muss Brand die Verstorbenen umbetten, legt er ein in Desinfektionsmittel getunktes Tuch auf Mund und Nase, um eine eventuelle Übertragung zu verhindern. Und was, wenn er es nicht weiß? „Dazu haben wir ja die Schutzmasken auf“, sagt Brand. Das muss an Schutz genügen.
Auch bei Trauerfeiern, die draußen stattfinden, tragen alle Mitarbeiter einen Mund-Nasenschutz. Man merke aber deutlich, wie sich seit dem ersten Lockdown auch die Menschen verändert hätten. Sie stünden nun freiwillig weiter auseinander, berichtet Christian Brand. Auch wenn heute wieder Trauerfeiern in der Größenordnung wie früher möglich seien, an die Vorschriften halten sich alle sehr gewissenhaft.
Die Zeit der Isolation – auch von den eigenen Mitarbeitern – habe Christian Brand wieder näher zu seiner Familie, seiner Frau und zwei kleinen Kindern gebracht. „Man unternimmt wieder mehr zusammen.“ Zu Beginn der Pandemie hat er kräftig in die Digitalisierung investiert, sodass alle Mitarbeiter im Notfall auch vom Homeoffice aus arbeiten können. Das hat sich bewährt – als vier Angehörige eines Verstorbenen positiv getestet wurden. Angesteckt hatten sie sich privat, und nicht im Institut. Und dort zum Glück auch niemand anderen. Christian Brands Maske schlägt wieder fröhliche Falten.