Richard Betz probt in der Mühltaler Wacker Fabrik für die Premiere von „Total Global“. Im Stück wird er auch zur Posaune greifen, um damit den Tod eines Bauern zu betrauern. Foto: Karl-Heinz Bärtl
( Foto: Karl-Heinz Bärtl)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MÜHLTAL/DARMSTADT - Im Schauspiel „Total Global“ geht es um den Suizid verschuldeter Bauern, die Agrarindustrie und die Nöte eines reichen Mannes. Ann Dargies, künstlerische Leiterin des Einpersonenstücks, will die große Welt im Kleinen abbilden und am Mittwoch, 28. Februar, im Darmstädter Mollerhaus auf die Bühne bringen.
Gerade laufen die Endproben auf Hochturen. Acht Stunden pro Tag arbeiten Hauptdarsteller Richard Betz, Dargies und Autorin Michaela Bochus-Hirsch am Stück. Geprobt wird in der kühlen Halle des Theater Transits in der Mühltaler Wacker-Fabrik.
Auf dem Boden liegt ein Strohballen, an einem Campingtisch sitzt Betz und liest seinen Text vom Blatt ab. Neben ihm glänzt das Blech seiner Posaune im Scheinwerferlicht, in der Ecke steht ein Ghettoblaster. Mehr Requisiten braucht Betz nicht. „Ein Stück für leere Scheunen und verwaiste Ställe“, nennen die Macher ihr Drama. Betz spielt darin den reichen Privatier Peter Moser, der zur Beerdigung seines Bruders angereist ist. Der Tote war Milchbauer, mit Investitionsschulden, die er nicht begleichen konnte. Er wählte den Freitod, weil er nicht mit der Scham des Versagens leben konnte.
TERMINE UND VORVERKAUF
Premiere ist am Mittwoch, 28. Februar, um 20 Uhr im Theater Mollerhaus, Sandstrasse 10, in Darmstadt.
Weitere Aufführungen in Darmstadt sind am Donnerstag, 1. März, am Freitag, 6. April und am Samstag, 7. April, jeweils um 20 Uhr im Mollerhaus. Tickets sind auf www.theatermollerhaus.de und unter Telefon 06151-2 65 40 erhältlich.
Infos zum Theater Transit auf www.theatertransit.de (clu)
„Total Global“ ist ein politisches Stück. Betz präsentiert in seiner Rolle als Peter Moser Beweisstücke, die Fehler im Agrarsystem belegen sollen. Beweisstück kann die Blasmusik von der Beerdigung des Bruders sein, aber auch Hintergrundinformationen, die er an eine Pinnwand heftet. „Im vergangenen Jahr haben sich 600 Bauern in Frankreich umgebracht, weil sie verschuldet waren und nicht mehr weiterwussten“, spricht Moser.
Oder: „Unsere Kuh Emma wurde 20 Jahre alt. Sie hat jährlich 4000 Liter Milch gegeben. Heute liegt der Weltrekord bei 27 000 Litern im Jahr. Kühe werden heute kaum älter als drei bis fünf Jahre“, protokolliert er.
Appell an die Macht des Verbrauchers
Betz hat ein Jahr lang recherchiert, Fakten gesammelt, mit Landwirten gesprochen. Wachsen oder pleite gehen sei das Credo der meisten Bauern. Und wer expandiert, nimmt oft hohe Schulden auf.
Das Stück basiert auf der Recherche und der Idee von Betz. Er ist selbst Bauernsohn. Wie die Bühnenfigur hat auch er einen Bruder, der Landwirt ist. Aber der reale Bruder ist erfolgreich und am Leben, sagt Betz.
Der Darsteller wollte als junger Mann nicht Landwirt werden, obwohl er der älteste Sohn der Familie ist. Stattdessen hat er sein Leben aufgeteilt. Die eine Hälfte widmet er seiner Zimmermannsfirma, in der anderen Hälfte macht er Theater. Er tourt im Auftrag der Initiative „Deutsches Handwerk“ durch Schulhallen. Dort gibt er in „Mit Herz und Hand“ einen Zimmermann, der für die Kunst seines Berufes wirbt. Auch dieses Stück hat er mit den beiden Frauen erarbeitet, die jetzt mit ihm an „Total Global“ üben.
Das neue Einpersonenstück erzählt aber nicht nur vom Suizid eines Bauern. Es verhandelt Massentierhaltung und die Macht der Banken, die den Landwirten Kredite anbieten. Aber es appelliert auch an die Macht des Verbrauchers. „Wir alle können etwas ändern. Wir müssen uns nur entscheiden, unsere Lebensweise zu ändern“, mahnt Moser.
Später wird Betz zur Posaune greifen und ganz passabel spielen. „Das habe ich in meiner Jugend gelernt“, erzählt er.
Posaunenchor, Dorfkneipe und Milchvieh. An diesen Themen arbeiten sich die Kreativen ab, skizzieren mit ihnen den Kosmos des ländlichen Lebens: die Schließung von Geschäften und Gastwirtschaften und natürlich den Rückgang von landwirtschaftlichen Betrieben. Das Bauernsterben wird im Stück konkret.
Betz gibt aber nicht den Ankläger, sondern den Fragesteller. Das Publikum soll mitwirken. „Auf Ihren Plätzen liegen Zettel und Stifte, schreiben Sie Ihre Ideen und Träume auf“, fordert Moser.