In den Büchern einer benediktinischen Bibliothek suchen William von Baskerville (Rainer Poser, rechts) und sein Adlatus Adson (Bianca Weidenbusch) nach Hinweisen auf eine Mordserie. Foto: Erich Starostka
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DARMSTADT - Ein Kino war hier schon untergebracht und eine Druckerei. Jetzt hat Arheilgen an der Frankfurter Landstraße eine Abtei: Die Neue Bühne spielt den Mittelalter-Krimi „Der Name der Rose“, und Tobias Ullrich schafft es, mit einem gemalten Prospekt und fünf Säulen auf Rollen, den Raum so zu verwandeln, dass Regisseurin Renate Renken Umberto Ecos historischen Roman in vielen kurzen Szenen in die Arena hineinchoreografieren kann. Da werden auch Tribüne, Treppen und Nischen bespielt, ziehen singende Mönche durch die Reihen.
Immer ist es kurz stockfinster, und im nächsten Moment hat die Szene gewechselt. Dann sitzen die Zuschauer, denen vor der Vorstellung noch mit freundlichem „Pax vobiscum“ ihr „Klostertrunk“ (Martini, Campari, Zitronentraubensaft) und „Klosterschmaus“ (Fusilli mit Spargel) gereicht wurde, plötzlich im Refektorium, vor ihnen Benediktiner, die auf karge Käseteller starren. Oder man blickt nach einem Blackout in den Lesesaal, auf den Tisch des Leichenbeschauers und schließlich ins düstere Labyrinth der Bibliothek, in dem sich das Geheimnis der Geschichte verbirgt: Ein Franziskaner und sein Adlatus, zwei Figuren wie Sherlock Holmes und Watson in Kutten, müssen eine Mordserie in der Benediktinerabtei aufklären. Bei der Neuen Bühne kommt diese Geschichte erfreulich umstandslos und flott voran.
Zu den filmschnittartigen Szenen, mit denen die Krimihandlung auf der Bühne durchgeblättert wird, gesellen sich Hall-Effekte und Livemusik von Heike Pallas, die Umberto Eco orgelnd ins Gruselkabinett befördert. Im ehemaligen Arheilger Kino liebäugelt die Neue Bühne also heftig mit dem Lichtspiel. Nur ist Renate Renkens Inszenierung ein Stück weit weg von Jean-Jacques Annauds opulent blutiger Romanverfilmung von 1986, atmosphärisch deutlich näher dran an einem Edgar-Wallace-Film der Sechziger. Und das passt ja auch gut zu einer Hauptfigur, die William von Baskerville heißt.
SPIELPLAN
Bis Mitte Juni spielt die Neue Bühne 21 weitere Vorstellungen von „Der Name der Rose“ im Arheilger Theater, Frankfurter Landstraße 195. Einlass um 19 Uhr, Beginn um 20 Uhr. Im Juli zieht die freie Gruppe dann wieder ins Gewächshaus der Orangerie und nimmt sich nach 2002 erneut Shakespeares „Sommernachtstraum“ vor. Kartentelefon: 06151-42 22 05. (sb)
Mit Glatze und weißem Haarkranz gibt Rainer Poser ganz gelassen den weisen Detektiv Gottes. Das ohnehin schon leicht verblasste Filmvorbild Sean Connery kann man für zweieinhalb Theaterstunden getrost vergessen. Baskerville, der Ex-Inquisitor, der dem Glaubensterror abgeschworen hat, ist hier ein abgeklärter Pragmatiker der Moral, der auch bei Diebstahl und Beischlaf Milde walten lässt. Das sorgt für heitere Momente, wenn sein Novize Adson eigentlich ernste Fragen stellt. Bianca Weidenbusch rahmt die Geschichte als greiser Ich-Erzähler langsam und mit zittrigen Bewegungen und wird dann in der Rückblende mit wachem Blick zum staunenden Lehrling des Glaubens. William und Adson sind hier ein eher gemütliches Gespann. Und weil ihre Gegenspieler vor der Pause auch nicht sonderlich forsch agieren, lebt die Inszenierung zunächst vor allem von der gruftigen Atmosphäre des Raumes.
Gabriela Reinitzer beglaubigt mit angeklebtem Bart den gestrengen Abt, der Beweismittel schon mal in Flammen aufgehen lässt. Axel Raether ist als blinder Bibliothekar Jorge von Borgos mit rauem Akzent und weißen Pupillen angemessen gruselig. Aber erst als Raether nach der Pause als dominikanischer Inquisitor Bernardo Gui mit zwei Schergen in Helm und Kettenhemd einen Teufelsprozess anstrengt, ist ein starker Antagonist im Spiel.
Leider zieht sich Baskerville genau hier eher zurück, weshalb die dramatische Zuspitzung ausbleibt. Harter Konflikt und packende Spannung sind ja nun auch nicht die Kardinaltugenden der Neuen Bühne, die sich „Theater für die Sinne“ nennt. Und so kommen sie bei allem inszenatorischen Geschick gegen Ende mit der Action zwischen Folter und Brandkatastrophe an darstellerische Grenzen. Der szenische Mittelaltermarkt, der in diesem Spektakel steckt, ist denn auch eher was für die große Festspielbühne. Die singenden Mönche in ihrer Arheilger Abtei stimmen ein eher leises Echo auf Eco an, das aber umso stimmungsvoller nachhallt.