„1000 Jahre habe ich nicht gegessen, 1000 Jahre war ich hier allein, 1000 Menschen will ich nun fressen!“ Mit diesen schaurigen Worten jagt der dicke, weiße Mondmann das...
MAINZ. „1000 Jahre habe ich nicht gegessen, 1000 Jahre war ich hier allein, 1000 Menschen will ich nun fressen!“ Mit diesen schaurigen Worten jagt der dicke, weiße Mondmann das arme Peterchen und Lisa kreuz und quer über die Bühne. Es blitzt und donnert, der Mondmann stürzt fast von der Bühne – dann endlich sinkt er dahin und schläft auf der Stelle ein. Die Rettung verdanken die beiden Kinder dem lieben Sandmann und seinem Schlafsand.
Erleichtert atmen die rund 900 Kinder im Großen Haus des Staatstheaters auf. Ganz schön aufregend, das Finale des diesjährigen Weihnachtsmärchens „Peterchens Mondfahrt“. Doch wie es sich für ein Märchen gehört: Bevor die Guten siegen, müssen sie erst einmal zahlreiche Abenteuer überstehen.
Über hundert Jahre alt ist die Geschichte von dem mutigen Jungen Peter und seiner tierlieben kleinen Schwester Anneliese, kurz Lisa, die sich gemeinsam mit dem Maikäfer Herr Sumsemann von der Erde auf den Weg zum Mond machen. Geschrieben hat sie Gerdt von Bassewitz, der 1878 im württembergischen Allewind geboren wurde.
In seinem Märchen verliert der Ururur...großvater von Herrn Sumsemann eines seiner Beinchen, weil ein gieriger Holzfäller es ihm aus Versehen abhackt. Zur Strafe verbannt die Nachtfee den Holzfäller auf den Mond, wo er über 1000 Jahre ohne Essen oder menschliche Gesellschaft verbringt – und deshalb so ein ausgehungerter Fiesling wird.
Für die Inszenierung am Staatstheater verwandeln Dramaturgin Katrin Maiwald und Regisseurin Jana Vetten, die sich in Mainz schon mit dem Stück „Der Kleine und das Biest“ einen Namen gemacht hat, den Mondmann in eine dicke weiße Raupe mit feisten Bäckchen und Vollmondschädel. Auch wenn die Stimme durch Verzerrung und Hall recht gruselig klingt – vor einer dicken Raupe fürchtet man sich längst nicht so sehr wie einst 2012 am Wiesbadener Staatstheater, wo der Mondmann als mordlüsterner Irrer mit Kettensäge über die Bühne wirbelte.
Vettens Version der Reise zum Mond ist sehr kindgerecht, aber trotzdem sehr spannend und unterhaltsam. Da gibt es zum Beispiel den auf Mundart babbelnden, dickbäuchigen Sandmann mit Zipfelmütze und Wallebart, der das Reisetrio mit seinem Schlitten zur Nachtfee bringt. Bei ihr treffen die braven Kinder, die noch nie einem Tier etwas zuleide getan haben, allerlei kuriose Gestalten wie die Blitzhexe, den Regenfritze, die Wolkenfrau und die Sonne, die strahlend und schön wie eine Göttin durch diese illustre Gesellschaft schreitet.
Die phantasievollen und fröhlich-bunten Kostüme hat sich Sarah Mittenbühler ausgedacht, das raffinierte Bühnenbild mit mehreren beweglichen Ebenen stammt von Eugenie Leis.
Kaum auf den Sitzen hält es die jungen Theaterbesucher, als die Milchstraßenfrau die Geschwister und den gar nicht so mutigen Sumsemann, der ständig vor Angst in Ohnmacht fällt, mit einer Kanone auf den Mond verfrachten will. „Schießen, schießen, schießen!“, schreien die Kinder lauthals und lassen sich erst beruhigen, als die Kanone mit lautem Knall und viel Qualm gezündet wird. Und siehe da: Wie von Zauberhand verwandelt sich die Kulisse in eine karge Mondlandschaft, wo das kleine Käferbeinchen in einem Baum hängt und darauf wartet, von Peter und Lisa endlich wieder mit seinem Besitzer vereint zu werden.
Zu guter Letzt stimmen alle fröhlich in das Schlusslied ein: „Summ summ hurra, das sechste Beinchen ist wieder da!“