Abschluss des Rheingau Musik Festivals in der Basilika von Kloster Eberbach
Von Volker Milch
Redakteur Kultur/Politik/Wirtschaft Wiesbaden
Teodor Currentzis mit Chor und Orchester in der Basilika von Kloster Eberbach. Foto: RMF/Ansgar Klostermann
( Foto: RMF/Ansgar Klostermann)
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ELTVILLE - Der Dirigent Teodor Currentzis gibt beim Rheingau Musik Festival natürlich nicht einfach ein prosaisches Konzert. Im Kloster Eberbach gewinnt man den Eindruck, dass der heilige Teodor mit seinem Orden von der musikalischen Observanz die vor 200 Jahren säkularisierte, schon als Scheune, Pferdestall oder Bühne für „Deutschland sucht den Superstar“ genutzte Basilika für die Kirche zurückerobert.
Prozession im Kerzenschein
Für Hildegard von Bingens Responsorium „O vis aeternitatis“ nähern sich die allerdings fabelhaften Sängerinnen und Sänger von „musicAeterna“ aus dem russischen Perm nämlich mit Kerzen. Ein singender Prozessionszug, der sich im Rücken des Auditoriums bzw. der Gemeinde ganz zart angekündigt hat und schließlich in der Vierung der Basilika Position bezieht. Dieser erste a-cappella-Programmteil kann nach Hildegard mit Vokalwerken von Ligeti, Schnittke, Strawinsky, Purcell und Arvo Pärt am meisten überzeugen, weil die Stimmen des auf Currentzis eingeschworenen Chors von überragender Qualität sind. Die nachtschwarzen Bässe wird man so schnell nicht vergessen, und die perfekte Abstimmung, das organische, flexible Miteinander lässt darauf schließen, dass der Proben-Fanatismus, den man Currentzis nachsagt, kein Gerücht ist.
Die Inszenierung des ersten Programmteils als Mysterienspiel überschreitet allerdings deutlich die Grenze zum Sakralkitsch. Gewöhnungsbedürftig ist vor allem das kollektive Gestikulieren, das Händeringen und Flehen gen Himmel. Zur Weihe des Auftritts fehlt nur noch Weihrauch. Currentzis wirft sich auf dem Podium in pathetische Posen, schreibt mit dem Zeigefinger magische Halbkreise in den Raum, breitet die Arme gar im Erlöser-Gestus.
RMF-BILANZ
Die 30. Saison des Rheingau Musik Festivals (RMF) endete am Samstag, mit Edward Elgars Oratorium „The Dream of Gerontius“ in der Basilika von Kloster Eberbach. Zu den 155 Veranstaltungen an 42 Spielstätten kamen nach RMF-Angaben 115 500 Zuhörer. Bei rund 125 000 verfügbaren Karten entspricht das einer Auslastung von 92 Prozent.
Wenn der hoch gehandelte Wundermann, der von 2018 an als Chefdirigent den Ruf des SWR-Fusionsorchesters in Stuttgart aufpolieren soll, mit seinen priesterlich gewandeten Instrumentalisten und Vokalisten dann Wolfgang Amadeus Mozarts „Requiem“ zelebriert, muss man irgendwie an E.T.A. Hoffmanns Karikatur des wahnsinnigen Kapellmeisters Kreisler denken, der romantischen Künstlerexistenz schlechthin.
Alles scheint Inszenierung zu sein bei Currentzis, und die theatralische Verzerrung irritiert bei Mozarts „Requiem“-Fragment in der Süßmayr-Fassung doch arg. Natürlich ist der Exzentriker, dem ein enthemmter Konzertmeister in wilder Bühnenshow nacheifert, im „Dies irae“ ganz in seinem Element. Aber wo, wie im Introitus, ein Meister wie Harnoncourt das ewige Licht leuchten lässt, hört es sich bei Currentzis an, als würde er Hoffnungsschimmer mit Celli und Bass-Staccato in den Basilika-Boden stampfen.
Effekt legt sich über Aussage, und statt Transparenz, die doch eine „historisch informierte Aufführungspraxis“ für sich reklamiert, dominiert überakzentuiertes Dauer-Pathos, aus dem immerhin die Solisten tapfer hervorleuchten: die großartige Julia Lezhneva mit beglückend klarem Sopran, Catriona Morisons Mezzo, Thomas Cooleys Tenor und der Bass Tareq Nazmi.
Edward Elgars Oratorium „The Dream of Gerontius“
Nach diesem großen Currentzis-Selfie mit Mozart wird der Festival-Abschluss am Samstagabend in der Basilika zum gewiss weniger spektakulären, aber interpretatorisch überzeugenderen Ereignis: Edward Elgars Oratorium „The Dream of Gerontius“ mit dem differenziert agierenden Philharmonia Chorus aus London und den Symphonikern Hamburg unter der Leitung von Paul McCreesh.
Nach dem Tod des Symphoniker-Chefdirigenten Jeffrey Tate im Juni ist McCreesh für das RMF-Finale eingesprungen. Seine Elgar-Kompetenz vermittelt er mit temperamentvollem Körpereinsatz, der vielleicht nicht ganz so ästhetisch gerät wie beim Kollegen Currentzis, aber eher im Dienst das Werkes steht. Und in diesem Sinne sind auch der expressiv gestaltende Tenor Brenden Gunnell, Mezzo Kathryn Rudge und Bariton Markus Eiche tätig. Ein erfreulicher, herzlich beklatschter Ausklang dieses Festival-Sommers.