Plötzlich ist sie da, diese eine, wunderschöne Stimme. Als Roland Kalus Anfang der 90er Jahre über ein Sommerfest in Düsseldorf streift, fällt ihm auf einer Bühne die...
BECHTOLSHEIM. Plötzlich ist sie da, diese eine, wunderschöne Stimme. Als Roland Kalus Anfang der 90er Jahre über ein Sommerfest in Düsseldorf streift, fällt ihm auf einer Bühne die Wiesbadener Band „The Nightbirds“ auf. 15 Männer und dazwischen eine Frau. „Ich habe mich optisch und akustisch sofort verliebt“, sagt Kalus heute. Er überlegt nicht lange und spricht Elke Diepenbeck am Rande der Bühne an. „Ich habe ihr eine Rose überreicht, die ich vorher aus einem Beet geklaut habe“, sagt Kalus lachend.
Das ist 26 Jahre her. Nun sitzen Kalus und Diepenbeck im Wohnzimmer ihres Hofgutes und trinken einen Kaffee. Die Musik verbindet die beiden noch immer stark – privat und beruflich. Kalus ist Gitarrist, Diepenbeck singt, spielt Klavier und Blockflöte. Fast 20 Jahre haben sie gemeinsam in Mainz gelebt und dort die Musikszene unsicher gemacht – alleine, aber auch als Duo und mit einer gemeinsamen Band. „Ich dachte ja immer, ich sei ein heißer Feger. Aber als ich die Musikerkollegen kennengelernt habe, war ich schon sehr beeindruckt“, sagt Kalus. Viele Reisen, viele Konzerte, Auszeichnungen. Doch irgendwann sei es genug gewesen. „Wir wollten nicht mehr nur aus dem Koffer leben, sondern uns lieber die Welt zu uns holen“, sagt Kalus.
Mit dem historischen Hofgut in der Bechtolsheimer Langgasse hat sich das Paar einen langgehegten Traum erfüllt. „Wir wollten immer schon einen eigenen Veranstaltungsort oder eine Musikschule haben“, sagt Diepenbeck. Eigentlich sollte dieser im Allgäu sein, doch da gab es keine passenden Häuser. Zufällig seien die beiden dann auf das Hofgut in Bechtolsheim gestoßen, sagt Diepenbeck. „Wir fanden es sofort schön.“
Konzerte, Workshops und andere Abende
2011 eröffnete das Paar schließlich das Kulturgut Bechtolsheim, wo sie Konzerte, aber auch Workshops und andere Abende veranstalten. Als Duo treten die beiden immer seltener auf. „Wir haben eine Art Not-Band namens ‚Coolsville‘ gegründet. Da spielen wir dann manchmal eher auf Vernissagen oder anderen kleinen Veranstaltungen.“
Gemeinsam an Musik zu arbeiten, birgt aber auch Hindernisse, da zwei verschiedene Charaktere aufeinander treffen. „Roland probt zum Beispiel gerne viel, ich bin da eher locker“, sagt Diepenbeck und grinst ihren Mann frech an. Klar gebe es auch Diskussionen und man müsse Kompromisse eingehen. „Aber so bleibt es immer frisch und aufregend, es schleift sich nichts so sehr ein. Wir ergänzen uns einfach gut.“ „Und es ist immer Musik“, ergänzt Kalus. Er selbst höre unfassbar viel und spiele täglich Gitarre. „Natürlich nervt Elke das manchmal, aber wir geben uns gegenseitig Raum.“ Hilfreich sei allerdings, dass das Paar geschmacklich auf einer Linie sei, sagt Kalus. Diepenbeck nickt und ergänzt: „Man sagt ja immer, dass sich Gegensätze anziehen. Ich glaube, es ist besser, wenn man ähnlich tickt. Sonst geht man sich irgendwann auf die Nerven.“ Auch die Arbeit im Kulturgut haben sich die beiden gut aufgeteilt. Kalus kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit, während Diepenbeck für Bewirtung und Dekoration zuständig ist. „Halt eher dieser Frauenkram“, neckt Kalus seine Frau und erntet einen Luftkuss. Bei der Auswahl der Künstler vertrauen sich die beiden gegenseitig. „Wir wollen Musiker im Kulturgut auftreten lassen, die wir beide mögen. Die Musik soll uns den Atem nehmen, Gänsehaut verursachen – das ist die schönste Belohnung“, sagt Diepenbeck.
Doch nicht nur Musik und Kulturgut verbinden die beiden. Sie nehmen sich auch Zeit für gemeinsame Hobbys und ihre beiden Hunde. „Wir sind beide Leseratten und schieben uns gegenseitig die Bücher zu“, sagt Kalus. Auch Reisen, vor allem in die Berge, Freunde treffen und ausgehen stehen auf dem Programm. „Wir sind sehr gerne unterwegs und wollen diese Zeit einfach in vollen Zügen genießen. Zum Glück haben wir keinen Druck, sodass das einfach möglich ist.“
Kulturgut, Privatleben und Musik gebe es nur im Gesamtpaket, sagt Diepenbeck. „Ich hoffe, dass wir das noch einige Jahre so machen können. Es gibt so viele tolle Künstler und vor allem Nachwuchs. Gute Musik wird einfach niemals aussterben.“ Kalus hat noch einen weiteren Wunsch: „Ich fände es toll, wenn auch mehr junge Menschen den Weg zu uns finden würden. Es ist ein hautnahes Erlebnis. Wir wollen der Welt einfach etwas Schönes geben.“
Von Denise Frommeyer