Opernsänger Evan Bortnick gibt Stimmtraining für verschiedene Berufsgruppen
Von Julia Anderton
Lokalredakteurin Wiesbaden
Evan Bortnick unterrrichtet an seiner Akademie Musa Vocalis. Foto: Bortnick
( Foto: Bortnick)
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WIESBADEN - Das erste Wort ist meist „Mama“, gefolgt von „Papa“, „Ball“ oder „Auto“. Nicht so im Fall von Evan Bortnick: „Laut meiner Mutter habe ich gesungen, bevor ich überhaupt gesprochen habe. Ich selbst kann mich erinnern, dass ich mich als Kind immer mit dem Klang der Dinge um mich herum beschäftigt habe. Am Karussell zum Beispiel, als andere Kinder gewunken und gelacht haben, war ich intensiv auf das Rauschen und Klicken fokussiert.“
Als Teenager spielte der gebürtige Amerikaner Saxofon; eines Tages spielte ihm sein Lehrer die Tenor- und Sopran-Arien aus „La Bohéme“ vor. Ein folgenschweres Erlebnis: Bortnick beschloss auf der Stelle, Opernsänger zu werden. Seine Ausbildung erfolgte am Oberlin Conservatory of Music in Ohio, danach ging es für den Feinschliff an das Houston Grand Opera Studio, das Wolftrap Sommer Opera Festival und das Lake George Opera Festival.
Nach dem internationalen Bühnendebüt mit der Hauptrolle in „The Rakes Progress“ im Teatro de los Bellas Artes in Mexico City wechselte der New Yorker 1984 mit einem festen Vertrag an das Hessische Staatstheater Wiesbaden.
Evan Bortnick unterrrichtet an seiner Akademie Musa Vocalis. Foto: Bortnick Foto: Bortnick
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„Die klassischen Mozart-Tenor-Partien, aber natürlich auch Rodolfo in ‚La Bohème’ waren die bedeutendsten Partien für mich. Damals durfte ich mit bekannten Wiesbadener Namen wie Eike Wilm Schulte, Sue Patchell, Lisa Griffith, Jonathan Welch und Siegfried Köhler auftreten. Eine Ehre!“, erinnert er sich. Mit den Jahren zog er sich von der Bühne zurück. „Es schien von allein zu passieren. Ich hatte überall in Europa gesungen, war genug gereist. Ich war nun verheiratet, hatte eine kleine Tochter.“ Zudem hatte er sich mit funktioneller Gesangspädagogik, cranio-sakraler Körperarbeit, tiefenpsychologischer, archetypischer Astrologie und neuro-linguistischem Programmieren beschäftigt. Und ihm wurde klar, dass längst nicht nur Profi-Sänger Erfüllung beim Singen verspüren, sondern auch Laien. Heute unterrichtet er an seiner Wiesbadener Akademie Musa Vocalis und als Leiter der stimmpädagogischen Abteilung an der Franz-Liszt-Universität Weimar zwar regelmäßig Gesangsschüler, doch eine echte Nische erfüllt Bortnick als Stimmtrainer, der Menschen auf der Suche nach ihrer optimalen Sprechstimme begleitet. „Oft gesehene Berufsgruppen sind Lehrer, Trainer und Pädagogen. Aber mehr und mehr sehe ich Leute aus den verschiedensten Berufen, die Vorträge halten müssen oder Telefonakquise machen. Außerdem Menschen, die sich einfach selbst durch Resonanz und freies Atmen besser spüren wollen.“
Training in vier Blöcken
Das Training läuft in vier Blöcken und umfasst Übungen zur Wahrnehmung des Eigentons, einer verfeinerten Artikulation („Das Sportstudio für die Zunge!“), einer zuverlässigen stimmlichen Energielieferung (für lautes Sprechen, ohne heiser oder müde zu werden) sowie die Vermittlung authentischer Emotionen.
Warum ist es so wichtig, die Stimme zu trainieren? „Sie ist das Zentrum unserer Identität. Gleichzeitig haben optimiertes Atmen und optimierte Resonanz einen deutlich positiven Effekt auf unser Nervensystem, unseren Stoffwechsel und unsere Gemütslage. Grob gesagt: Der einzige Fehler, den man langfristig machen kann, ist, sich nicht mit der Stimme zu beschäftigen“, erklärt Bortnick. Das Stimmtraining diene dazu, den Kontakt mit anderen feinstufig zu regeln. „Das heißt einerseits, ehrliche, intime Gespräche besser zu führen und andererseits auch, deutlicher und schneller Grenzen zu setzen.“