„Klimt 1918“ stellt im „Rind“ in Rüsselsheim Songs aus dem aktuellen Album „Sentimentale Jugend“ vor
Von Lilly Nielitz-Hart
Raumfüllenden Sound und eine professionelle Lichtshow bietet „Klimt 1918“. Foto: Vollformat/Möllenberg
( Foto: Vollformat/Möllenberg)
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RÜSSELSHEIM - Der Albumtitel „Sentimentale Jugend“ der italienischen Indie-Band „Klimt 1918“ ist von einem Musikprojekt von Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten) und Christiane F. („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) entlehnt und spielt ganz bewusst auf die zwiegespaltene Existenz im geteilten Berlin der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts an. Auch von David Bowies Musik über die Hauptstadt ließ sich die Gruppe inspirieren. Das Cover des Doppelalbums zeigt eine düstere und neblige Szenerie, die viele Assoziationen zulässt.
Live klingt die Musik wesentlich rockiger
Die vier Bandmitglieder Marco und Paolo Soellner, Davide Pesola und Francesco Conte kommen aber ganz sympathisch, geradezu unkompliziert rüber und bedanken sich für die Rüsselsheimer Gastfreundschaft. Live klingt die Musik der Brüder Marco und Paolo, die aus der Death-Metal-Szene Roms kommen, wesentlich rockiger als auf den gestylten Aufnahmen der CD. Schade, dass nicht mehr Indie-Fans am Donnerstagabend den Weg ins „Rind“ gefunden hatten.
Vielleicht liegt dies zum Teil an der achtjährigen Pause, die sich die Band seit ihrer vorherigen CD gegönnt hatte, denn das ist in der schnelllebigen Musikindustrie fast eine Ewigkeit. Die Songs jedenfalls beginnen atmosphärisch mit psychedelischen Synthieklängen und Soundmontagen. Sie steigern sich zu lauten Gitarren-Crescendos, die dann langsam wieder sphärisch ausklingen. In den gleichförmigen Rhythmen kann man für einige Momente aus der Realität abtauchen. Das Lied „Commandante“ erinnert an frühe „Pink Floyd“-Nummern oder den Prog-Rock von „Yes“. Trotz fehlender musikalischer oder gesanglicher Extreme hat er das Potenzial eines „alternativen“ Hits.
DIE GRUPPE
„Klimt 1918“ stammt aus Rom und ist eine der bekanntesten Indie-Exporte Italiens. Seit 2004 arbeitet die Band, die sich nach dem Maler Gustav Klimt benannte, mit dem deutschen Label „Prophecy Productions“ zusammen, das sich auf unkonventionelle Musik von Gothic Metal bis Neofolk spezialisiert hat. Mit dem Album „Undressed Moments“ hatte „Klimt 1918“ im Jahr 2003 den ersten Erfolg. 2008 erschien „Just in case we never meet again“. „Sentimentale Jugend“ wurde Ende 2016 veröffentlicht. (lnh)
Auch einige ihrer älteren Songs, wie „Skygazer“ spielt die Band. Der Sound ist raumfüllend, die Lichtshow professionell. Die Texte der „Klimt 1918“-Lieder sind teils hoch poetisch, teils politisch. „Commandante“ ist dem argentinischen Journalisten Jorge José Ricardo Masetti Blanco gewidmet, der während der kubanischen Revolution im Gefolge von Fidel Castro und Che Guevara zum Führer einer Guerillatruppe, einem Commandante Segundo, avancierte.
Bei der dunklen Hymne „Nostalghia“ ist die musikalische Nähe zur New-Wave-Kultband Joy Division unverkennbar. Es handelt sich um feinstes „shoegazing“. Das heißt: Musik, bei der man beim Tanzen den Kopf hängen lässt und wie gebannt auf seine Schuhe starrt, wobei die Haare weit ins Gesicht fallen und man sich von der Welt abschotten kann. Im Gegensatz dazu klingt „Montecristo“ fast schon wie ein hoffnungsfroher Aufbruch – den Song verlangt das unermüdlich tanzende Rüsselsheimer Publikum als Zugabe, zu der sich die Band dann auch nach langem Klatschen überreden lässt.