Auftakt des XI. Internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs in...

Der Pianist Tobias Koch beim Eröffnungskonzert des Darmstädter XI. Chopin-Wettbewerbs am Freitag in der Orangerie. Foto: Andreas Kelm
© Andreas Kelm

Noch bevor die erste Etappe des XI. Internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs begonnen hat, war klar: Das Eröffnungskonzert am Freitag in der Darmstädter Orangerie wird zu...

Anzeige

DARMSTADT. Noch bevor die erste Etappe des XI. Internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs begonnen hat, war klar: Das Eröffnungskonzert am Freitag in der Darmstädter Orangerie wird zu einem Höhepunkt in der bisherigen Geschichte der 1970 gegründeten Chopin-Gesellschaft. Denn alle Wettbewerbsjuroren gaben dort in illustrer Reihe umjubelte Kostproben ihrer Kunst am Flügel.

Sieben Pianisten von Weltrang

Dem Publikum bot das die Gelegenheit, sieben Pianisten von Weltrang an einem Abend zu erleben. Den Anfang machte Tobias Koch, der als einer der profiliertesten Interpreten auf dem Gebiet der romantischen Aufführungspraxis gilt. Nur wenige Phrasen aus Chopins "Kompositionsskizzen nach polnischen Volksliedern" genügten, um den Charakter dieser Musik einzufangen.

Mit feinster Klangdosierung formte der Pianist die schlichten Skizzen aus und verlieh ihnen beseelte Transparenz. Dem gegenübergestellt waren selten gespielte Kompositionen aus der Feder polnischer Chopin-Zeitgenossen. Andrzej Jasinskis Interpretation der "Polonaise in cis-Moll op. 26" und der "Mazurka in cis-Moll op. 6" beschwor Bilder der polnischen Landschaften, die Chopin inspiriert haben. Der 1926 geborene Pianist verfügt über eine Farbpalette, die dieser Musik bis in die feinsten Nuancen hinein gerecht wird. Sein hellhöriges Spiel verbindet veredelte Klavierkunst mit berührender Ursprünglichkeit.

Anzeige

Die Darmstädter Pianistin Sabine Simon bot mit den "Variationen über "La ci darem la Mano" das umfangreichste und virtuoseste Werk des Komponisten dar. Mit zärtlicher Intensität hauchte sie jeder Variation eine besondere Seele ein. Leuchtkräftig entfalteten die geschmeidigen Linien, artistischen Läufe und filigranen Verzierungen betörenden Klangzauber. Ewa Poblockas grandiose Interpretation machte dagegen die "4 Mazurken op. 24" mit fluider, leuchtender Tongebung und feinstem Rhythmusgespür zu lebendigen Seelenlandschaften.

So zart und leichthändig wie Martin Kasik Dvoràks "Humoreske" auf die Tasten zauberte, so kraftvoll und flammend geriet seine Deutung von Chopins "b-Moll-Scherzo op. 31", die nie zuvor gehörte Stimmen plastisch werden ließ: ein furioser Höhepunkt des Konzertabends. Exquisite Bildermacht entfaltete auch Dang Thai Son, erster Preisträger des Warschauer Chopin-Wettbewerbs von 1980, in den "Jeux d´eau" und den "Alborada del gracioso" von Ravel. Geistige Tiefenschärfe verband sich mit einer atemberaubenden atmosphärischen Dichte.

Als letzter betrat Kevin Kenner das Podium, sichtlich bewegt von der Darbietung seiner Kollegen. "Es macht solche Freude, meinen Kollegen zuzuhören. Ich bin so beeindruckt, dass ich am liebsten gar nicht spielen möchte", erklärte der Juryvorsitzende. Schließlich nahm er doch am Flügel Platz und setzte mit Chopins "Nocturne in Des-Dur op. 27/2 und der g-Moll-Ballade op. 23 einen glanzvollen Schlusspunkt.

Eine tiefe innere Übereinstimmung mit der Musik Chopins sprach aus seinem Spiel, das bei allem Feinschliff ein Höchstmaß an emotionaler Kraft bereithielt. Innig, intensiv und leidenschaftlich - berührender kann Chopin kaum klingen.