„ Theaterdurst. Herr Beck und die Höllenlimonade “ von Stefan Benz
Süffige Theatersatire mit Biss und heitere Belehrung: Der Darmstädter Journalist debütiert als Krimiautor.
Von Johannes Breckner
Leiter Kulturredaktion Darmstadt
Stefan Benz schreibt übers Theater – als Kritiker dieser Zeitung ebenso wie in seinem ersten Roman.
(Foto: Guido Schiek)
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Man sollte nie von Romanfiguren auf den Autor schließen. Dabei ist die Versuchung groß: Ein Theaterkritiker lässt in seinem ersten Roman einen Theaterkritiker auftreten – da müsste doch eine autobiografische Fährte zu erschnüffeln sein? Aber so einfach macht es Stefan Benz, Kulturredakteur dieser Zeitung und seit über 30 Jahren kritischer Begleiter der Theater in der Region, seinen Lesern nicht. Zum Glück fehlen ihm die meisten Eigenschaften, die er seinem Helden Julius Beck angedichtet hat. Beck haust in fortschreitender Verwahrlosung in einer vollgerümpelten Altbauwohnung, die zugleich die Gruft der Erinnerungen an seine verstorbene Frau ist. Er betreibt eine kleine Weinhandlung und arbeitet selbst so hartnäckig an der Vernichtung der Vorräte, dass er morgens auch mal in einer Primitivo-Lache erwacht. Und bei Premieren muss seine Begleiterin Paula aufpassen, dass er nicht wegdämmert.
Ausgerechnet bei „Medea“ aber ist Paula nicht dabei, sondern der Praktikant Franz Mager, den der Chefredakteur dem Kritiker zur Seite gestellt hat. Also verschläft Beck einen Skandal und muss sich von dem ahnungslosen jungen Mann die Ereignisse erzählen lassen. Dabei ist er doch selbst der große und lustvolle Theatererklärer, ein wandelnder Schauspielführer, der seinen Freund für die Plauderei in der Premierenpause wappnet und gleichzeitig den Lesern Theaterlektionen erteilt – über „Kabale und Liebe“ oder „Romeo und Julia“, „Titus Andronicus“ und „Amphitryon“. Und natürlich Medea, denn Benz passt im Theater besser auf als Beck.
Fünf Kapitel, fünf Dramen: Das ist die klare Gliederung für ein temporeiches und sehr unterhaltsames Romandebüt. Und wenn Benz auch keine Ähnlichkeit mit Beck hat, so schmunzelt man gerne über viele Anknüpfungen an die erkennbar erlebte Wirklichkeit. Dieser Roman ist Theatersatire und Mediengroteske zugleich: Becks Zeitung, die „Neue Post“, sucht ihr Heil gegen den Auflageschwund in Skandalisierung und Twitter-Botschaften, bei denen die Wahrheit bisweilen auf der Strecke bleibt. Das Feuilleton wird zur „Cool-Tour“, unter der Marke „#theaterchecker“ wird live aus Premieren berichtet. Theaterfreunde werden sich über die Beschreibung des Kulturbetriebs freuen, in dem die Wichtigtuer miteinander wetteifern, und über ein Theater, in dem für die kulinarisch-opulente Oper das Schauspiel leiden muss, während der Intendant gerne Brokatmantel zum Pantoffel trägt und wie ein Sultan herrscht. Weintrinker haben Spaß an der Parodie der Sommeliers-Poesie. Und über diesem mehrfachen Vergnügen könnte man fast den Kriminalfall übersehen, auf den Beck ziemlich spät stößt und der den Kritiker zum Detektiv macht; eine Rolle, in der sich Beck ziemlich tölpelhaft anstellt, was dem Erfolg aber nicht schadet, im Gegenteil.
DAS BUCH
Stefan Benz
Theaterdurst. Herr Beck und die Höllenlimonade.
Verlag Tredition in Hamburg, 230 Seiten, 10,99 Euro (Paperback) oder 18,99 Euro (Hardcover).
Bis zur überraschenden Aufklärung hält Benz die verschiedenen Seiten seiner Erzählung mit geschickt gesteuerter Fabulierlust zusammen, findet komische Situationen und schrullige Typen, ist nicht zimperlich in der Überzeichnung seiner Satire, hinter der doch eine feine Analyse der Wirklichkeit steckt. In diesem Dauerfeuer der Einfälle staunt man, dass ihm die Puste bis zum Finale nicht ausgeht. Und das ist gut: „Theaterdurst“ ist der Anfang einer Trilogie, auf deren Fortsetzung bald viele Lesedurstige warten dürften.