Nino Haratischwili im Wiesbadener Literaturhaus

Begeistert mit virtuoser Sprache: Die aus Georgien stammende Autorin Nino Haratischwili mit ihrem neuen Roman zu Gast im mehr als ausverkauften Wiesbadener Literaturhaus. Foto: Jörg Halisch

Die aus Georgien stammende Autorin Nino Haratischwili und ihr neuer Roman „Die Katze und der General“ im mehr als ausverkauften Literaturhaus - ein Fest der Sprache.

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WIESBADEN. Wieder eine richtige Schwarte. Schon mit „Das achte Leben“ brachte Nino Haratischwili ein 1280-Seiten-Opus heraus. Ihr neuer Roman „Die Katze und der General“ – gestern von uns auf der Buchseite vorgestellt – kommt auf vergleichsweise schlanke 750 Seiten. Und ist doch genauso dick: Alexander Wasner hat es nachgemessen und tritt auf seinem Tisch im Literaturhaus den Beweis an. Im Plauderton entlockt der SWR-Moderator der georgischen Autorin solche geheimen Informationen wie die, dass man beim „achten Leben“ eben dünneres Papier genommen habe.

Eloquente Botschafterin ihrer georgischen Heimat

Aber es darf dann doch auch mal tiefsinniger sein. Und das liegt vor allem an den klugen Einlassungen der georgischen Autorin selbst, die man auf der Frankfurter Buchmesse nur im Sauseschritt erleben konnte – von einem Interviewpartner zum nächsten, „robotermäßig“. Als eloquente Romanautorin, Dramatikerin und Regisseurin und vor allem als Botschafterin des diesjährigen Gastlands. Seit 2003 lebt sie in Hamburg und formuliert in Deutsch ihre schnellen, blitzgescheiten Sätze, bei denen man auf Ballhöhe bleiben muss, um nichts zu verpassen. Wenn sie erzählt, dass sie „natürlich nach Tiflis musste“, als dort im September die wuchtige, fast barocke Bühnenadaption von „Das achte Leben“ gezeigt wurde, mit dem das Hamburger Thalia Theater auch bei den Wiesbadener Maifestspielen in diesem Jahr brillierte, dann hätte man ja gerne gewusst, wie dort so die Reaktionen waren.

Welche Reaktion sie allerdings „rassistisch“ findet, ist die: „Man sollte nur über das eigene Herkunftsland schreiben.“ Nach einem Jahrhundert Georgien in „Das achte Leben“ geht es nun in der „Katze“, die auf der Shortlist des deutschen Buchpreises stand, um den Tschetschenienkrieg. Die Geschichten, die sie darin von Mitte der 90er Jahre bis 2016 aufblättert, „hätten in jedem Land spielen können, in dem Krieg herrscht“, sagt Haratischwili. Sie wollte den „Krieg herunterbrechen auf das Einzelschicksal“.

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Und fand dazu in einem Zeitungsartikel die Grundidee: Es ging um russische Scharfschützen, denen wegen einer Gewaltorgie in einem abgelegenen Dorf der Prozess gemacht wurde. „Was machen rechtsfreie Räume mit Menschen?“ – das sei die Frage, die sie in ihrem neuen Roman behandelt, der auch aus Sicht der Täter geschrieben ist.

Wichtig als Autorin sei ihr vor allem die Geschichte, der ordne sie die Figuren unter. Da müsse sich auch der Autor fügen. Für sie sei Schreiben auch Kontrollverlust. So ermittelte die „Katze“ quasi auf eigene Faust. Und der „General“, ein russischer Oligarch? Welche Erinnerungen an Gräueltaten im ersten Tschetschenienkrieg er nicht loswird, das muss man selbst lesen. Das Ende, verrät die Autorin, hatte sie vorm Schreiben komplett im Kopf – und musste alles andere „nur“ darauf zulaufen lassen. Die Passagen, die sie im Literaturhaus las – sogar per Video ins Café nebenan übertragen – boten den Einstieg in ihre Sprachvirtuosität, ihren Humor und die überbordend verästelte Geschichte. Und dafür braucht es eben Platz. Eine dicke Schwarte an Seiten. „Aber ich wollte nicht zwei Bände herausbringen – das ist ja nicht Harry Potter.“ Aber einen besonderen Zauber, den hat auch der neue Haratischwili.