Lesestoff aus der Apotheke: Digitalisierung verändert die Buchbranche grundlegend
Von Johanna Dupré
Redaktionsleiterin Kultur Mainz
Foto: dpa
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Auf den ersten Blick wirkt das paradox: Der Hype um das E-Book scheint vorbei – und doch ist die Digitalisierung ein wichtiges Thema der Frankfurter Buchmesse (11. bis 15. Oktober). Auf der einen Seite die aktuellen Zahlen zum deutschen Buchmarkt: Der Anteil des elektronischen Buchs am Gesamtumsatz 2017 für die ersten beiden Quartale liegt bei knapp über fünf Prozent. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet das Stagnation. Die Zahl der E-Book-Käufer ging sogar um 12,3 Prozent zurück. Auf der anderen Seite räumt die Buchmesse – trotz Fokus aufs Kerngeschäft – mit „Arts+“ (ein Marktplatz für digitale Geschäftsmodelle) sowie dem 150 Quadratmeter großen „Orbanism Space“ digitalen Trends erneut einen nicht unbeachtlichen Raum im Herzen des weltgrößten Treffens der internationalen Buchbranche ein. Wie passt das zusammen? „Die Frage ist, ob man beim Thema Digitalisierung und Buchmarkt immer nur aufs E-Book schauen sollte“, sagt Frank Krings, Digital-Experte der Frankfurter Buchmesse. „Ich finde, das ist nicht der Fall.“ Schließlich verändere die Digitalisierung die Branche in vieler Hinsicht.
Das ist etwa die Frage, wie das Buch zum Leser kommt. Hier wird das Online-Geschäft immer wichtiger: 18,2 Prozent der gesamten Umsätze entfielen 2016 auf den Internetbuchhandel – ein Plus von 5,3 Prozentpunkten. Für traditionelle Buchhandlungen, auf die immer noch 47,3 Prozent des Geschäfts entfallen, ist das eine Herausforderung – der Wandel muss aber nicht zwangsläufig zu ihren Lasten gehen. „Ich bin überzeugt, dass die meisten Leser ihre lokalen Buchhändler vor Ort sehr schätzen“, sagt Stefanie Brich, Geschäftsführerin des Landesverbands Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. „Aber sie wollen auch den Komfort, abends auf der Couch ein Buch bestellen zu können.“ Damit davon nicht nur Amazon & Co. profitieren, sind einige Buchhändler mit eigenem Shop im Internet präsent.
Modellversuch: Arzneilieferdienst bringt Bestelltes nach Hause
Andere böten inzwischen die Möglichkeit, etwa per WhatsApp-Nachricht ein Buch zu bestellen. Kunden können es wenig später in der Buchhandlung abholen – oder es sich sogar nach Hause liefern lassen. Dafür würden teils Studenten beschäftigt, sagt Brich. Und es gebe sogar Modellversuche mit einer besonders ungewöhnlichen Kooperation: der Zusammenarbeit mit dem Medikamentenlieferdienst der Apotheken.
Für kleinere regionale Verlage kann die Direktvermaktung über das Netz sogar Vorteile bieten. „Bei einem Titel zu einem Nischenthema gibt es so die Chance, dass ein Leser aus – sagen wir Hamburg – ihn Jahre später entdecken kann; wenn er bei einem Großhändler schon ausgelistet wäre“, sagt Rainer Breuer aus dem Vorstand des Verlagskaree Rheinland-Pfalz, einem Zusammenschluss von 24 unabhängigen Verlagen.
Wahr ist aber auch: Das Leseverhalten verändert sich. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene lesen weniger Bücher. Umso wichtiger ist es, diese Zielgruppe dort zu erreichen, wo sie ohnehin unterweg ist – im Internet und in sozialen Netzwerken. Hierzu hat der Börsenverein-Landesverband vor Kurzem auf einer Tagung in Bad Kreuznach nach Konzepten gesucht, wie Buchhandlungen und Verlage sich gegenseitig bei der Vermarktung im Netz unterstützen können, berichtet Brich. Sie plädiert insgesamt für einen „gesunden Mittelweg“: neue Konzepte zum Umgang mit dem Wandel suchen, ohne alte Tugenden zu vernachlässigen.